Die Angeklagten waren schon vor dem Prozess im Sommer 2016 völlig zerstritten. Foto: dpa

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entscheidet vermutlich am Dienstag, ob das Landgericht Ulm die Beweise richtig eingeordnet und gewertet hat.

Geislingen - Der Fall eines vierjährigen Jungen, der seinen fünften Geburtstag nicht mehr erleben durfte, weil er wenige Tage zuvor den schweren Verletzungen durch fortgesetzte Schläge erlag, hat schon zweimal eine Flut von Schlagzeilen verursacht: zuerst im Frühjahr 2011 als das Verbrechen bekannt wurde und dann noch mal fünf Jahre später, als die Täter vom Landgericht Ulm im Sommer 2016 zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilt wurden. Nach Ansicht des Gerichts hatten die heute 29-Jährige und ihr 31 Jahre alter Lebensgefährte im März 2011 den vierjährigen Sohn der Frau in Geislingen totgeprügelt.

Jetzt folgt womöglich die dritte Artikelwelle. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe soll an diesem Dienstag entscheiden, ob das Landgericht Ulm die beiden zurecht verurteilt hat. Die beiden längst völlig zerstrittenen Verurteilten haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Das bedeutet, dass der BGH nun prüfen muss, ob die Richter in Ulm die Beweise richtig gewürdigt und juristisch eingeordnet haben. Eine neuerliche Beweisaufnahme findet bei einer Revision nicht statt.

Sie beschuldigten sich gegenseitig

Wie es aussieht, setzt sich damit ein Spiel fort, dass die Angeklagten bereits bei der Verhandlung in Ulm spielten: Sie schoben sich damals die Schuld für den Tod des Jungen gegenseitig in die Schuhe. Keiner der beiden wollte von den schweren Verletzungen, die das Kind über Wochen hinweg durch Schläge erlitt, etwas gewusst haben. Beide gaben an, der jeweils andere sei der heimliche Schläger gewesen.

Das Landgericht konnte zwar nicht herausfinden, wer dem Jungen die tödlichen Schläge beigebracht hatte. Doch weil das Kind zahlreiche Spuren fortgesetzter Misshandlungen aufwies und vor seinem Tod bereits seit Wochen im Kindergarten gefehlt hatte, kam das Gericht zu dem Schluss, dass beide Angeklagte es misshandelt hatten. Zudem hatten Zeugen von Übergriffen in der Vergangenheit berichtet, bei denen sich beide Partner einig gewesen seien. Deshalb verurteilte das Gericht die Angeklagten schließlich wegen gemeinschaftlicher Kindesmisshandlung mit Todesfolge zu fünf Jahren Haft.

Bisher auf freiem Fuß

Genau gegen diese juristische Lösung scheinen die Verurteilten nun vorzugehen: Offenbar versuchen sie nachzuweisen, dass die Beweise des Landgerichts nicht ausreichten, um zu belegen, dass sie die Taten gemeinsam oder zumindest mit der Rückendeckung des Partners begangen hatten.

Ob der BGH den Fall sofort entscheidet und wie diese Entscheidung ausfallen wird, ist offen. In Ulm wird der Richterspruch mit Spannung erwartet. Zumal es ungewöhnlich ist, dass der Bundesgerichtshof bei einer solchen Revision eine mündliche Verhandlung anberaumt. In den meisten Fällen wird nach Aktenlage entschieden.

Falls der BGH den Ulmern recht gibt, müssten die Angeklagten mehr als sechs Jahre nach der Tat ihre Haftstrafen antreten. Sie waren bisher – von einer kurzen Untersuchungshaft im Jahr 2011 abgesehen – stets auf freiem Fuß. Zuerst hatten sich die Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft immer wieder verzögert, später der Prozesstermin. Und als dann das Ulmer Urteil gefällt war, wurde es wegen der Revision nicht rechtskräftig. Die Mutter des Jungen war während der Verhandlung in Ulm mit dem Kind ihres neuen Lebenspartners schwanger, es müsste inzwischen geboren sein.