Baden-württembergische Fahnder sollen nach dem Heilbronner Polizistenmord mit rassistischen Vorurteilen ermittelt haben. Das Attentat an der Polizistin Michèle Kiesewetter im Jahr 2007 wurde später den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ zugeordnet. Foto: dpa

Rassismus bei den Ermittlungen zum Kiesewetter-Mord? Sinti und Roma erheben schwere Vorwürfe gegen baden-württembergische Polizisten. Innenminister Gall will aufklären.

Rassismus bei den Ermittlungen zum Kiesewetter-Mord? Sinti und Roma erheben schwere Vorwürfe gegen baden-württembergische Polizisten. Innenminister Gall will aufklären.

Stuttgart/München - Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wirft Fahndern vor, nach dem Heilbronner Polizistenmord mit rassistischen Vorurteilen ermittelt zu haben. Das Attentat an der Polizistin Michèle Kiesewetter im Jahr 2007 wurde später den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ zugeordnet. Die Vorwürfe beziehen sich auf Vermerke, die am vergangenen Donnerstag im NSU-Prozess in München zitiert wurden. Darin ist laut einer Vertreterin der Nebenklage etwa von „Negern“ und „Zigeunern“ die Rede, die „typischerweise lügen würden“.

In einem Brief an Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) forderte der Zentralratsvorsitzende Romani Rose am Dienstag, strafrechtliche und disziplinarische Konsequenzen. Galls Sprecher bestätigte den Eingang des Briefes. „Die Vorwürfe werden geprüft“, sagte er in Stuttgart. Das könne allerdings einige Tage dauern.

Bei den Aktenvermerken handele es sich um schlimmen Rassismus, der dem Jargon der Nationalsozialisten ähnele, monierte Rose. Die Verfasser hätten gewusst, dass über diese Akten in einem öffentlichen Gerichtsverfahren verhandelt werden würde. Der Zentralrat beanstandet auch einen Vermerk über einen Lügendetektortest bei einem Roma-Angehörigen. Darin hätten Psychologen festgehalten, der Mann sei „ein typischer Vertreter seiner Ethnie“ - und das bedeute, dass „die Lüge ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation darstelle“.

Rose fordert Konsequenzen

Rose appellierte an Gall, die Beschuldigten wegen Verleumdung und Beleidigung zur Verantwortung zu ziehen. Zudem solle der Minister sicherstellen, dass die Psychologen keine Gutachten mehr in staatlichem Auftrag verfassen. Er müsse klarstellen, „dass die Träger der politischen Verantwortung für die Polizei in Baden-Württemberg derartiges Gedankengut ächten, das sich scheinbar wie ein roter Faden durch das Kiesewetter-Verfahren zieht“. Weiter forderte Rose: „Man muss Sorge tragen, dass dafür kein Platz im Rechtsstaat ist.“

Am Dienstag sagte ein Kriminalbeamter als Zeuge im NSU-Prozess am Oberlandesgericht in München aus, dass Kiesewetters damaliger Kollege Martin A. bei seinem ersten Besuch am Tatort in Heilbronn Erinnerungen an das Attentat geschildert habe. „Er hatte Blumen dabei. Wollte stilles Gedenken.“ Der Ermittler hatte ein knappes Jahr nach dem tödlichen Anschlag am 25. April 2007 mit A. den Tatort besucht. Als A. davon zurückkam, sei er aufgewühlt gewesen, berichtete der Zeuge: „Er sagte, er könne sich wieder erinnern, dass Michèle rückwärts eingeparkt hat. Und dass er im Rückspiegel eine Person gesehen habe, die sich von hinten nähert.“

Ein Neurologe hatte allerdings am Montag gesagt, dass nach seiner Einschätzung Erinnerungen an die Zeit unmittelbar vor der Tat nicht vorhanden sein dürften. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hatten die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auf die Polizisten geschossen. Beate Zschäpe ist als Mittäterin angeklagt.