Ein sicherer Rückhalt der Stuttgarter Kickers: Ramon Castellucci. Foto: Baumann

Ramon Castellucci ist mit dem Fußball-Oberligisten Stuttgarter Kickers seit 502 Spielminuten ohne Gegentor. Im Interview spricht der Torwart über die Gründe für den Aufwärtstrend, seine Jugendjahre in Nürnberg und die Qualitäten des Trainers.

Stuttgart - Es geht aufwärts mit den Stuttgarter Kickers, doch auf dem Weg an die Spitze der Fußball-Oberliga ist nachlassen verboten und Überheblichkeit ohnehin fehl am Platz. Das gilt gerade für das Heimspiel an diesem Samstag (14 Uhr/Gazistadion) gegen den Aufsteiger SV Linx. „Wir werden den Gegner ernst nehmen und wollen versuchen, zu Hause weiter ohne Gegentor zu bleiben“, sagt Torwart Ramon Castellucci (21).

Herr Castellucci, wissen Sie wie viele Minuten Sie schon ohne Gegentor sind?
Nicht genau. Aber es dürften so um die 500 Minuten sein.
Es sind exakt 502 Minuten.
Okay. Das letzte Gegentor kassierte ich zum 0:2-Rückstand im Spiel beim Bahlinger SC.
Danach folgten fünf Spiele ohne Gegentor. Ist Ihnen eine solche Serie in Ihrem Fußballerleben schon einmal gelungen?
Nein, das ist tatsächlich eine Premiere.
Führen Sie Buch über Ihre Spiele?
(lacht). Nein, das mache ich nicht. Aber ich weiß auch so, dass ich so lange noch nie ohne Gegentor geblieben bin.
Worauf ist die neue Stabilität in der Kickers-Defensive zurückzuführen?
Zu Beginn der Saison musste sich die neu formierte Mannschaft in einer neuen Spielklasse erst finden. Das finde ich ein stückweit normal und nachvollziehbar. Inzwischen sind die Abläufe klar, jeder kennt seine Aufgabe.
Wie wichtig ist die Kontinuität in der Viererkette vor Ihnen?
Es freut einen Torwart, wenn sich vor ihm nicht ständig etwas ändert, das gilt für die Viererkette und für die Doppel-Sechs. Wenn man weiß, wer wie in welcher Situation reagiert, ist das hilfreich. Und wenn dann mal ein Puzzle-Teil fehlt, wie zuletzt links hinten, dann lässt sich das ausgleichen. Michael Klauß hat das in Ilshofen dann auf der Position von Josip Landeka auch richtig gut gemacht.
Was halten Sie von der Sportweisheit „Offense wins Games, Defense wins Championships“?
Wenn wir mit einer starken Defensive die Meisterschaft holen würde, hätte ich natürlich nichts dagegen. Grundsätzlich muss man sagen, dass es schwierig ist in dieser Liga mit Zauberfußball ein Offensivfeuerwerk abzubrennen.
Warum?
Zum einen, weil die Plätze meistens schwer bespielbar sind, zum anderen, weil für jeden Gegner das Spiel gegen die Stuttgarter Kickers das Spiel des Jahres ist und die Mannschaften deshalb häufig auch sehr tief stehen. Deshalb müssen wir zuallererst über den Kampf und den Teamgeist kommen, und im zweiten Schritt wollen wir dann auch fußballerisch etwas bieten.
Dies dürfte auch nötig sein. Die ganz dicken Brocken kommen erst noch.
Wie gesagt, ich finde wir haben jede Woche ein schwieriges Spiel vor der Brust. Da wird sich wenig daran ändern, wenn es gegen den SSV Reutlingen, den FSV 08 Bissingen oder den FC 08 Villingen geht. Wir haben auf jeden Fall den großen Vorteil, dass uns unsere Fans überall und gegen jeden anfeuern. Ich finde es Wahnsinn, wie groß die Bereitschaft dazu ist uns in dieser Liga zu unterstützen, selbst als es am Anfang mal nicht so lief.
Sie kamen über den 1. FC Nürnberg II und den VfB Stuttgart II nach Degerloch. Schildern Sie doch bitte kurz Ihren Karriereverlauf.
Ich habe in meinem Heimatort beim VfB Neuffen angefangen und dann bis zur U14 beim SSV Reutlingen gespielt. Danach stand ich in der U15 unter Trainer Thomas Oesterwinter bei den Stuttgarter Kickers zwischen den Pfosten. Dort fiel ich bei einem Hallenturnier dem 1. FC Nürnberg auf.
Sie spielten von der U16 bis zur U23 beim Club.
Genau. Ich wohnte die ersten zwei Jahre im Internat, danach mit meinen Mannschaftskollegen Lukas Mühl und Steffen Eder in einer WG.
Einsätze in der Profimannschaft hatten Sie keine?
Ich war sehr oft in der damaligen Zweitligamannschaft im Training und als Ersatztorwart dabei, doch Spiele machte ich nur in der Regionalliga Bayern. Ich hatte eine richtig gute Perspektive beim Club, doch dann wurde Cheftrainer René Weiler entlassen. Auch mein großer Förderer verließ den Club, Torwarttrainer Daniel Klewer, er arbeitet inzwischen als Sportpsychologe beim Zweitligisten FC St. Pauli.
Es folgte Ihr Wechsel zum VfB Stuttgart II.
Und damit keine einfache Zeit. Ich kam leider nicht regelmäßig zum Einsatz. Das entsprach nicht meinen Ansprüchen.
Nach einem Jahr ging es zu den Kickers – in die fünfte Liga. Warum?
Die Kickers sind ein Traditionsverein, der unabhängig von der Ligazugehörigkeit immer noch in der Öffentlichkeit präsent ist. Eine nebensächliche Annehmlichkeit war auch, dass ich in meiner Wohnung in Esslingen bleiben konnte. Das alles Entscheidende für meinen Wechsel war aber, dass es auch in der Oberliga unter absolut professionellen Bedingungen bei den Blauen weitergeht. Alles andere wäre für mich als ehrgeiziger Sportler nicht in Frage gekommen.
Das intensive, umfangreiche Trainingsprogramm – auch im Vergleich zur Liga-Konkurrenz – und der mit routinierten Spielern mit höherklassiger Erfahrung gespickte Kader müsste doch auf 34 Spieltage hinweg den Ausschlag für die Kickers geben. Oder?
Das ist ein nachvollziehbarer Ansatz, der am Ende hoffentlich auch so eintreffen wird. Aber noch einmal: Aber noch einmal: Es wird sich am Ende nur das Team durchsetzen, das in dieser Liga jeden Gegner ernst nimmt.
Auch den Aufsteiger SV Linx an diesem Samstag.
Mit Sicherheit auch den Aufsteiger SV Linx an diesem Samstag. Man fegt in dieser Liga keinen Gegner aus dem Stadion. Klar wollen wir zu Hause weiter ohne Gegentor bleiben. Aber wenn es am Ende drei Punkte mit einem 2:1-Sieg werden, hätte ich auch nichts dagegen.
Zum Schluss noch eine Einschätzung zu Trainer Tobias Flitsch.

Nur so viel: Einen Trainer zeichnet aus, dass er ehrlich ist. Ich habe viele Trainer erlebt, die unglaublich viel reden und am Ende schalten die Spieler auf Durchzug. Tobias Flitsch erzählt keine großen Geschichten. Er hat eine klare Linie und vermittelt die Inhalte sehr überzeugend.