Michael Zeyer bringt so schnell nichts aus der Fassung - doch im Vorjahr beschwerte er sich gegen RB Leipzig bei Schiedsrichter Cortus Foto: Pressefoto Baumann

Michael Zeyer vereint die beiden Welten Sport und Wirtschaft. Davon profitieren die Stuttgarter Kickers. Zurückhaltend im Auftreten, aber knallhart in der Sache will der Sportdirektor die Blauen Schritt für Schritt nach oben bringen.

Stuttgart - Wie er das Jahr seit seinem Einstieg mit einem Wort beschreiben würde? „Anspruchsvoll“, sagt Michael Zeyer, „sehr anspruchsvoll.“ Wenn die Kickers an diesem Freitag (19 Uhr) in Reutlingen den VfL Osnabrück empfangen, ist er exakt ein Jahr als Sportdirektor des Fußball-Drittligisten im Amt. Der Verein lag damals am Boden. Die Mannschaft war nicht wettbewerbsfähig, Trainer Massimo Morales nach acht Spielen ohne Sieg bereits entlassen. „Die Lage war fast ausweglos“, erinnert sich Zeyer. Als müsste er seine Worte ein wenig wirken lassen, nippt er an einem Espresso und ergänzt: „Der Leidensdruck war so groß , dass jedem klar war, es muss eine Veränderung her.“

Der Ex-Profi begann seine sportliche Sanierungsaufgabe. Obwohl unter Interimscoach Jürgen Hartmann zwei Heimspiele mit 3:0 gewonnen wurden, zeigte Zeyer erstmals klare Kante. Er ging den unbequemen Weg. Er entschied sich, nicht mit Hartmann weiterzumachen – sondern holte den nur Insidern bekannten Coach Horst Steffen von der U 19 von Borussia Mönchengladbach. Präsidiumsmitglied Guido Buchwald trat zurück, Zeyer und der Ex-Weltmeister funkten ohnehin nicht auf einer Wellenlänge.

Zeyer will darüber nicht mehr reden. Er sagt nur Grundsätzliches: „Es ist die Aufgabe eines Sportdirektors, konsequent seine Überzeugung durchzusetzen. Und nicht zu überlegen, ob er für Entscheidungen Applaus von den Fans oder der Presse bekommt.“ Zeyer ist kein Mann der Kompromisse. Er spricht die Dinge ab. Reinreden lässt er sich nicht.

Mit seinen 46 Jahren hat er schon einiges an Lebenserfahrung aufzuweisen. Zeyer war fast 20 Jahre Fußball-Profi bei acht verschiedenen Vereinen, er studierte in St. Petersburg und legte an der Uni Hamburg seinen Master of Business Administration ab. Und er baute in Stuttgart das Sterne-Restaurant Fünf auf. Strategisch zu denken, Projekte zu gestalten – darin liegen Zeyers größte Stärken. „Fußball ist viel komplexer, als viele denken“, sagt er und fügt mit der Miene des zutiefst Überzeugten hinzu: „Studierten Wirtschaftsfachleuten geht oft die Branchenkenntnis ab, weil sie nicht tief im Fußball verwurzelt sind. Andererseits fehlt ehemaligen Profis in Managementfunktionen der Hintergrund, um strukturierte Entscheidungen zu treffen.“ Zeyer verkörpert beides. Überlegt und unerschrocken redet er weiter. Klartext ist sein Markenzeichen. „Oft werden Leute eingestellt, die den anderen im Verein nicht wehtun. Sie genießen die Aufmerksamkeit. Veränderungen machten vielen Angst.“

Zeyer hat viel verändert bei den Kickers. Er hat die Mannschaft fast komplett umgekrempelt. Er hat mit überschaubaren finanziellen Mitteln neue Spieler geholt, die dem Spielstil des Fußball-Ästheten mit dem Spitznamen Zico entgegenkommen, und so gut wie alle haben eingeschlagen. Er hat auch unpopuläre Entscheidungen getroffen und Spielerverträge von Publikumslieblingen wie Julian Leist aufgelöst.

Als ruhig, introvertiert, kamerascheu und bisweilen etwas zerstreut wird der gebürtige Neresheimer gerne beschrieben. Aber auch als knallhart in der Sache. „Der Leistungsgedanke steht im Spitzensport obenan. Da man muss man harte Entscheidungen treffen – im Sinne des Vereins“, stellt Zeyer klar.

Mit Trainer Horst Steffen ergänzt er sich glänzend. Zeyer ist der forsche Typ, Steffen eher der vorsichtige. Einen gemeinsamen Nenner fanden sie bisher immer. In der vergangenen Saison führte die Aufholjagd noch zu Platz acht. Jetzt stehen die Blauen nur einen Punkt hinter dem Relegationsplatz. Ob es diese Saison schon zum Sprung nach oben reicht? „Wir wollen vorne mitspielen, um interessant zu sein“, weicht er aus. Natürlich will er mit den Blauen in die zweite Liga. Ein Muss dürfe dies aber nicht sein. „Wir sollten wirtschaftlich immer so aufgestellt sein, um uns die dritte Liga leisten zu können“, betont Zeyer. Seine Mission sieht er bei den Kickers jedenfalls noch lange nicht am Ende. Bei diesem Thema gehen seine Mundwinkel nach oben. Ein Lächeln blitzt auf. „Ein Jahr ist viel zu kurz, um zu zeigen, ob man gut ist“, sagt Zeyer.