Immer neue Fälle tauchen auf, in denen Prüfingenieure die Plakette der Hauptuntersuchung gegen Bestechung verliehen haben sollen Foto: dpa

Ein Prüfingenieur einer Karlsruher Firma soll im Nordschwarzwald bis zu 39 000 Autos die Plakette der Hauptuntersuchung ohne richtige Kontrolle verliehen haben. Die Ermittlungen laufen. Ein weiterer Kollege sitzt demnächst auf der Anklagebank.

Stuttgart/Tübingen - Es klingt nicht nach viel: Hier mal 20 Euro mehr, dort mal 50. Doch die Masse macht’s. Und es ist ein Geschäft, das sich für alle lohnt. Ein Prüfingenieur verleiht Autos ohne große Untersuchung die Plakette der Hauptuntersuchung (HU). Dadurch kann er viel mehr Prüfungen machen als normalerweise. Zudem nimmt er für jede einzelne ein bisschen mehr Geld. Entweder wissen die Autobesitzer davon, weil sie ihre maroden Kisten sonst nicht durch die Untersuchung brächten, oder sie zahlen unwissentlich einen höheren Preis.

Ein selbstständiger Prüfingenieur, der im vergangenen Jahr in Stuttgart zu vier Jahren Haft verurteilt worden ist, hat auf diese Weise Hunderttausende verdient – und sich der Bestechlichkeit schuldig gemacht. Ob beteiligten Autofahrern jemals etwas nachzuweisen sein wird, steht in den Sternen. 8500 von ihnen mussten jedenfalls mit ihren Fahrzeugen zur Nachuntersuchung. Doch auf den Gerichtsbänken des Landes dürften bald noch einige Kollegen des Prüfers Platz nehmen. Die Tübinger Staatsanwaltschaft wird demnächst Anklage gegen einen Mann aus dem Landkreis Böblingen erheben, der in mehreren Fällen ebenfalls mit dieser Methode unterwegs gewesen sein soll. „An der Masche waren auch Werkstätten beteiligt“, sagt ein Sprecher.

Doch das ist noch nicht alles. In einem zweiten Ermittlungsverfahren in Tübingen geht es um einen gewaltigen Vorwurf. Ein weiterer Prüfingenieur, wie die anderen für die Karlsruher Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS) im Einsatz, soll in ganz großem Stil die Hand aufgehalten haben. „Es handelt sich um einen Großkomplex mit 39 000 Prüfungen zwischen März 2009 und März 2012“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Experten gehen davon aus, dass ein guter KFZ-Prüfer maximal 3500 Untersuchungen pro Jahr schafft.

Fälle besonders im Norschwarzwald

Betroffen von diesem Fall ist besonders der Nordschwarzwald. Der Ingenieur, der selbst aus dieser Gegend kommt, ist vorwiegend in den Landkreisen Freudenstadt und Calw tätig gewesen. „Die Ermittlungen sind äußerst umfangreich“, sagt der Sprecher. Sie dauern bereits seit rund zwei Jahren an. Für eine Anklage wird die Zahl der zu verhandelnden Fälle stark eingeschränkt werden müssen, um überhaupt mit der gewaltigen Menge umgehen zu können.

Glimpflich davongekommen sind dagegen ein weiterer GTS-Prüfingenieur und ein Autobesitzer. Der Halter hat sein Fahrzeug verkauft – mit einer frischen HU-Plakette des Prüfers. Der Käufer ließ es direkt danach für Umbauten in die Werkstatt seines Vertrauens bringen. Dort stellte man fest, dass das Auto durch und durch kaputt war. Daraufhin erstattete der Käufer Anzeige gegen die anderen Beteiligten. Ohne Erfolg. „Das Verfahren musste eingestellt werden. Man konnte den beiden keine Straftat nachweisen“, sagt Claudia Krauth, Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Es habe sich nicht eindeutig beweisen lassen, dass die fehlerhafte Prüfung absichtlich und unter dem Wissen des Verkäufers stattgefunden habe.

In Zukunft sollen sich solche Fragen möglichst gar nicht mehr stellen. Das Verkehrsministerium des Landes ist als Aufsichtsbehörde für die Prüforganisationen in Baden-Württemberg infolge der Fälle unter Druck geraten. Ebenso wie die GTS. Die hat sich auf Anfrage nicht zu den neuen Vorwürfen gegen die für sie tätigen Ingenieure geäußert. Ministeriumssprecher Edgar Neumann sagt, bisher habe man keine Kenntnis über weitere Fälle bei der GTS. Die Vorgänge in der Vergangenheit würden „mit der betroffenen Überwachungsorganisation intensiv aufgearbeitet“. Weitere Konsequenzen gibt es bisher nicht.

Land kontrolliert mit verdeckten Tests

Wohl aber für die Aufsichtstätigkeit des Landes. „Wir haben aus den Vorkommnissen weitreichende Konsequenzen gezogen“, so Neumann. Ein neues Kontrollkonzept ist inzwischen umgesetzt. Dazu gehören auch verdeckte Tests bei den verschiedenen Prüforganisationen. Mehrere Testreihen sind bereits beendet. „Sie haben dazu beigetragen, Schwerpunkte aufzuzeigen, in denen Verbesserungsbedarf besteht“, so Neumann. Offenbar waren manche Prüfer nicht auf allen technischen Feldern firm. Die Erkenntnisse sind inzwischen in die Schulungen der Organisationen eingeflossen. Die Qualität der Hauptuntersuchungen habe sich dadurch verbessert.

Dabei will es das Land aber nicht belassen. Das Ministerium setzt sich auf Bundesebene dafür ein, die Aufsichtsmöglichkeiten für die Ländern auszuweiten. „Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen werden derzeit grundlegend reformiert“, sagt Neumann. Er geht davon aus, dass sich die Chance, weitere Bestechlichkeitsfälle zu verhindern, dadurch deutlich erhöht.