Protestaktionen gegen Kernkraft haben einen 59-Jährigen in Bedrängnis gebracht Foto: dpa

Jahrelang wurden persönliche Daten eines heute 59-jährigen Kernkraftgegners vom Landeskriminalamt (LKA) gespeichert. Der Verwaltungsgerichtshof urteilte nun, dass diese LKA-Dokumentationen allesamt rechtswidrig waren.

Stuttgart - Werner K. (Name geändert) ist vollauf zufrieden. Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Mannheim hat er alles erreicht, was er wollte – und mehr, als er erwartet hat. Der 59-jährige Anti-Atom-Aktivist liegt seit Jahren mit dem Land im Clinch: 2007 hatte er rein zufällig erfahren, dass bereits seit 1999 persönliche Daten über ihn in einer Staatsschutzdatei des Landeskriminalamtes (LKA) gespeichert worden waren. Er fühlte sich kriminalisiert und klagte. In zweiter Instanz urteilte nun der HGV, dass die Dokumentationen des LKA allesamt rechtswidrig waren.

Konkret geht es um zwölf Protestaktionen gegen die Nutzung von Atomenergie, an denen Werner K. teilgenommen oder die er selbst organisiert hatte, und in deren Zusammenhang die Polizei Daten über ihn speicherte. In einzelnen Fällen waren strafrechtliche Ermittlungsverfahren – unter anderem wegen Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr – eingeleitet worden. Diese wurden jedoch alle eingestellt, verurteilt wurde der 59-Jährige nie. Dennoch wurde er in der sogenannten Arbeitsdatei Politisch Motivierte Kriminalität in Baden-Württemberg (AD PMK) geführt, zudem wurden Fahrzeugdaten von ihm gespeichert.

Diese Datei soll der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dienen. Hier können Daten über Personen gespeichert werden, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben und bei denen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie künftig eine Straftat begehen werden. Bei dieser Einschätzung hat die Polizei einen gewissen Beurteilungsspielraum, der sich unter anderem auf Erfahrungswissen stützen darf. Diese Einschätzung sei für die Gerichte schwer zu überprüfen, räumt der VGH ein. Allerdings sei durchaus zu kontrollieren, ob die Polizei bei ihrer Prognose von zutreffenden Voraussetzungen ausgehe, ob sie zum Beispiel den Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt habe. Die Polizei sei daher dazu verpflichtet, solche Prognoseentscheidungen nachvollziehbar zu dokumentieren. Dies fehle jedoch im vorliegenden Fall, deshalb seien die Datenspeicherungen rechtswidrig, so der VGH.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte – anders als zuvor das Verwaltungsgericht in Stuttgart – entschieden, dass Werner K. ein berechtigtes Interesse an der Klärung dieses Falles habe. Schließlich sei auch in Zukunft mit Datenspeicherungen zu rechnen. Denn Werner K. beabsichtige, weiterhin an Protestaktionen gegen Atomkraft teilzunehmen und das Land sei bislang der Auffassung gewesen, die Speicherungen seien rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte die Klage abgewiesen, weil das LKA die Daten kurz vor Beginn des Verfahrens gelöscht hatte. Die Sache sei damit erledigt, hieß es. Werner K. will nun erneut beim LKA abfragen, was aktuell über ihn gespeichert sei – vor dem VGH ging es schließlich nur um Daten für die Zeit zwischen 1999 und 2007. Sollten weitere Speicherungen vorhanden sein, überlege er, erneut dagegen vorzugehen.