Auch das Verteilen von Knöllchen gehört zu den Aufgaben von Mike Seemann. Foto: Käser

Mike Seemann ist der neue Vollzugsbeamte in Kernen im Remstal. Er sorgt für Ordnung und verteilt Knöllchen.

Rommelshausen - Mike Seemann hat genug gesehen in seiner Zeit als Leiter der Logistik im Stuttgarter Katharinenhospital. Genau genommen hat er in den 18 Jahren zu viel gesehen – zu viele Schwerverletzte und Tote. „Ich war für die Koordination der Patienten zuständig. Als zwei Mädchen, Opfer des Amoklaufs von Winnenden, vor meinen Augen starben, dachte ich mir, dass es reicht und ich noch mal etwas ganz anderes machen muss in meinem Leben.“

Mike Seemann geht einen mutigen Schritt

Der 45-Jährige ging den mutigen Schritt. Er gab seine sichere Stelle auf, machte eine Umschulung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit, und sitzt nun als neuer Vollzugsbeamter im „Römer“ Rathaus. „Die Stelle hat gut zu meiner Weiterbildung gepasst. Außerdem wohne ich in Rommelshausen, das heißt ich kenne mich aus und weiß die Flurnamen. Alles Vorteile“, sagt Mike Seemann.

Auch sein Nervenkostüm, das der dreifache Familienvater als „sehr gut“ einstuft, passe dazu. „Mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe, was ja beispielsweise bei Nachbarschaftsstreitereien nur helfen kann“, sagt Mike Seemann, der in seinem neuen Amt jede Menge Aufgaben hat. So ist er für den Flur-, Wald- und Umweltschutz zuständig, für das Meldewesen und die Einhaltung der Gaststättenverordnung. Zudem kümmert sich der Mann in der blauen Polizeiuniform um den ruhenden Verkehr – heißt: er verteilt Knöllchen. „Dadurch bin ich von acht Arbeitsstunden sechs draußen. Das ist mir wichtig, ich will dran sein am Menschen.“ Zudem härte die frische Luft ab, und als bekennender Naturfan genieße er es, die Veränderungen im Wald zu beobachten.

In der Freizeit ist der bekennende Harley-Fan auf Ausfahrten

Kein Wunder also, dass Mike Seemann früher mal Förster werden wollte. „Auch deshalb kommt mir der neue Job sehr entgegen und erfüllt mich. Ich habe den Wechsel keinen Tag bereut.“ Er könne sich gut vorstellen, bis zur Rente im jetzigen Job zu bleiben, sagt er. Sicherlich auch noch bis zum Ruhestand und darüber hinaus wird der bekennende Harley-Fan mit Freunden Ausfahrten machen.

Ist das nicht das falsche Hobby, wenn man schon so viele Unfallopfer gesehen hat? „Genau aus dem Grund fahre ich ja Harley. Da fährt man gemütlich, rast nicht, sondern genießt die Landschaft im Remstal.“ Obwohl er manchmal den Eindruck habe, seine Maschine mehr zu putzen als zu fahren, sagt Mike Seemann, der vor seiner Zeit im Katharinenhospital leitender Disponent beim Deutschen Roten Kreuz war. Daran schlossen sich der Wehrdienst und dann das Studium Rettungsmanagement an. Neben dem Job arbeitet er nach wie vor in einem privaten Sicherheitsdienst. „Das ist mein Ausgleich, und das Wissen bringe ich hier mit ein, indem ich ein Sicherheitskonzept für Veranstaltungen konzipiere“, sagt der 45-Jährige.

Im Büro im „Römer“ Rathaus ist der 45-Jährige Hahn im Korb

Seinen Einstand im Rathaus beschreibt er als gelungen. Er fühle sich sehr wohl, weil es familiär sei und weil er als Mann unter Frauen der Hahn im Korb ist. Dem Büro hat er schon seinen persönlichen Stempel aufgedrückt. So hat er viele Ordner angelegt sowie Pflanzen, ein Fernglas und sein Strafgesetzbuch mitgebracht. Wenn er auf Tour in Rommelshausen und Stetten geht, hat er Handschellen und ein Pfefferspray dabei. Nur für den Notfall, denn durch seine Vorkenntnisse weiß er, wie er Situationen durch Kommunikation entschärft. „Und wenn jemand im Wald liegt, helfen mir hoffentlich meine medizinischen Kenntnisse.“ Ein großes Interesse gelte auch dem Gebiet der Psychologie. „Mich begeistert es, wie die Menschen ticken und warum sie wie handeln.“

Wenn er den Kopf frei kriegen will, greift Mike Seemann neben dem Motorrad auch zu einem guten Buch. „Außerdem wandere ich. Wir fahren gerne nach Italien und Österreich, da bietet sich das an.“