Stefan Altenberger in einem verwaisten Gewächshaus auf der Hangweide Foto: /Jan Potente

Als Projekt für die Internationale Bauausstellung 2027 ist Kernens Vorhaben fest auf der IBA-Liste gesetzt, berichtet der Bürgermeister Stefan Altenberger. Und er sucht Ideen, wie visionäres Wohnen in kommenden Jahrzehnten aussehen könnte.

Bauen - Die Neubebauung des Kernener Gebiets Hangweide ist das hierzulande bereits am weitesten gediehene Projekt für die Internationale Bauausstellung 2027 Stadt Region Stuttgart (IBA). Was hat es auf sich mit jenem Bauvorhaben auf 8,5 Hektar Gelände, das es – zusammen mit bisher nur zwei weiteren Projekten in Backnang und in Winnenden – als Vertreter aus dem Rems-Murr-Kreis auf die Liste der bislang insgesamt 51 IBA-Projekte geschafft hat? Alle Möglichkeiten seien dort offen und neue Ideen und Visionen gefragt für Gebäudegestaltungen, Wohnformen und Mobilitätsanbindungen, wie sie auch in 50 Jahren als hipp und zukunftsfähig angesehen werden könnten, sagt Stefan Altenberger, der Kernener Bürgermeister.

Ein visionäres, zukunftsorientiertes Zuhause für 800 bis 1000 Menschen soll dort bis 2027 entstehen, wo die Diakonie Stetten in den 60er-Jahren ein Quartier für 400 Menschen mit Behinderungen gebaut hatte. Derzeit ist ein Wettbewerb für die Siedlung der Zukunft in Vorbereitung. Das hat der Kernener Rathauschef nun beim fünften Treff der Debattenrunde „Bauhaus trifft Gartenschau“ am Wengerthäusle in der geografischen Mitte der Region oberhalb von Strümpfelbach erläutert.

Einst Modellsiedlung für schwerbehinderte Menschen

Eine Modellgebiet war sie im Übrigen einst schon einmal, die Hangweide am Ortsrand von Rommelshausen. Als die dort entstandene Siedlung 1958 eingeweiht wurde, galt sie als revolutionäres Experiment einer dörflichen Wohnform für Schwerbehinderte und als eine der modernsten Wohnanlagen für Menschen mit geistigen und körperlichen Einschränkungen. „Insel der Geborgenheit“ nannten sie den Schutzraum, die sichernde Umzäunung rundum war der „Zaun der Freiheit“.

Jahrzehnte später allerdings wurde eine solche räumliche Ausgrenzung behinderter Menschen höchst umstritten. „Behinderten-Getto“ nannten Kritiker die Hangweide nun. In Zeiten der Inklusion passt die abgeschottete Einrichtung nicht mehr ins gewünschte Gesellschaftsbild. Die letzten Bewohner sind zum Beginn des vergangenen Jahres ausgezogen. Das gut acht Hektar große Areal samt großteils ohnehin maroden Restgebäuden und Gärtnereigelände steht leer.

Preis des Hangweisen-Areals: 16 Millionen Euro

Das soll sich in den kommenden Jahren in spektakulärer Form ändern, hat nun der Kernener Bürgermeister verkündet. Zusammen mit der Kreisbaugesellschaft habe die Kommune das gesamte Areal vor wenigen Monaten und nach längeren Verhandlungen für insgesamt 16 Millionen Euro von der Diakonie Stetten erworben und für die Realisierung des ambitionierten Städtebauprojektes weitere Partner mit ins Boot geholt. Entstehen soll dort – unter Beibehaltung des parkartigen Charakters des Hangweidenareals – ein inklusives Lebensquartier, das unter anderem auch Behinderte mit in die moderne Lebenswelt mit einschließt. Angedacht seien Möglichkeiten flexibler Wohnungsgröße und die Chance, je nach Bedürfnis innerhalb des Quartiers in Wohnungen passender Größe zu wechseln oder die Option, rein baulich die Größe der Wohnungen wechselnden Bedürfnissen anzupassen.

Klar sei, dass Menschen, sobald die Kinder aus dem Haus sind, ihre großen Wohnungen vor allem deshalb beibehielten, weil sie nicht ihr soziales Umfeld, ihre menschlichen Kontakte verlassen wollten. Der Wechsel in kleinere Wohnungen solle künftig innerhalb der neuen Hangweide möglich sein, ohne den Bezugs- und Freundeskreis zu verlieren.

Kein Autoverkehr in der neuen Lebenswelt

Gesetzt sei auch, dass die neue Modellsiedlung am Beibach im Inneren keinen Autoverkehr – ob elektrischer, oder herkömmlicher Art – aufweisen soll. „Da wird am Siedlungsrand die Zufahrt zu einer großen unterirdischen Garagenanlage sein, an die alle Gebäude angeschlossen sind“, verriet Altenberger ein Detail aus den Vorgaben, die den Planern gemacht werden sollen. Von dort könnte dann der Transport etwa von Einkäufen per Elektrokarren zum Heim erfolgen.

Vorgabe ist auch, dass günstiger, bezahlbarer Wohnraum entstehen muss. Für den Part des sozialen und bezahlbaren Wohnungsbaus als Teil der modernen Bauhaus-Ausstellungssiedlung in Kernen ist die Kreisbau zuständig. Hier sei es günstig, sagte Steffen Krahn beim Treff der Architektur-Interessierten, dass ebenso wie die Kommune auch die Kreisbau nicht darauf angewiesen sei, bei solchen Projekte Gewinne zu erzielen. Wirtschaftlich müsse das Ganze am Ende aber natürlich bleiben.

Der nächste Schritt auf dem Weg der Hangweide zum Modell modernen und zukunftsweisenden Wohnens wird der demnächst europaweit in die Ausschreibung gehende Architektenwettbewerb für das Gesamtareal sein. Bis zum Baubeginn für das Kernener Prestigeprojekt werde es allerdings, so Altenberger, sicher noch drei bis vier Jahre dauern. Bis zum Präsentationsjahr der Internationalen Bauausstellung in der Region 2027 soll dann die neue Lebenswelt Hangweide aber auf jeden Fall erlebbar sein.