Freier Hang bietet Rundumsicht auf das sich weitende vordere Remstal. Foto: Patricia Sigerist

Eine Aussichtsplattform für die Remstal Gartenschau bleibt in Stetten umstritten. Statt 200 000 Euro auszugeben und das Naturdenkmal „Sieben Linden“ zu bebauen, gibt es schon einen Aussichtspunkt mit weiter Sicht.

Kernen-Stetten - Es gibt also doch eine Alternative für eine Aussichtsplattform im Naturdenkmal „Sieben Linden“, die den Anblick der Landschaft über Stetten auf Dauer verändern, manche sagen verschandeln wird. Die neu diskutierte Stelle wurde in Gemeinderat und Verwaltung etwas ungenau mit „Hofmannshöhe“ bezeichnet. Diese liegt in Wirklichkeit einige zig Meter entfernt. Gemeint ist dagegen ein freier Hang im Stettener Gewann Häder, der schon heute den gleichen 270-Grad-Rundblick bietet, wie er für die Remstal Gartenschau 2019 in den teilweise zugewachsenen „Sieben Linden“ erst für ungefähr 200 000 Euro geschaffen werden soll.

Die markante Landmarke ist auch ohne Steg schön

Die „Sieben Linden“ sind andererseits wahrscheinlich die markanteste Landmarke in Stetten, unweit dem herausragendsten Denkmal, der Y-Burg. Wie der felsige Bergsporn in die Wengert hinausragt – das hat eigenes Gepräge. „Natur genügt“, rufen die inzwischen zahlreichen Gegner der Aussichtsplattform dem Bürgermeister entgegen. „Sieben Linden: kein Steg – Natur genügt“, stand auf einem Transparent in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Die dürfte dank des mehr als 50-köpfigen Protests zu den best besuchten der vergangenen Jahre gezählt haben.

Das Erlebnis den Blicks über den Bäumen

Obwohl Bürgermeister Stefan Altenberger am Dienstag den Beschluss noch vertagte, machen er und sein Beigeordneter Horst Schaal gleichwohl den Eindruck, an der teuren Plattform festzuhalten. Gleiches lässt die größte Fraktion, die CDU, erwarten, die sich kürzlich mit einem den Steg symbolisierenden Tuch vor Ort ablichten ließ. Denn ein von Menschenhand geschaffener Ausblick, mehrere Meter über dem steil abfallenden Hang, bietet mehr als Natur. Er ist neu und mit diesem Etikett als geschaffenes Werk in der Gartenschau blendend zu vermarkten. Professor Peter Cheret, auf dessen Büro die Idee des „Skywalks“ wohl zurückgeht, schwebt deutlich der Erlebnischarakter vor: „Man tritt aus dem Wald ins Freie und steht über den Bäumen.“ 18 Meter ragt die Stahlkonstruktion ins Freie hinaus. 1,20 Meter ist sie an der Basis breit, sie erweitert sich nach vorne.

Cheret betont: „Unsere Absichten sind lauter. Wir wollen nicht so eingreifen, dass wir einen Schaden hinterlassen.“ Den aus 34 Arbeiten in einem internen Wettbewerb des weltweit tätigen Büros Schlaich, Bergermann und Partner ausgewählten Entwurf nennt der Landschaftsarchitekt wegen der nur minimalen Eingriffe in den Ort für das Fundament und Pfeiler eine „intelligente Arbeit“. Er fügt hinzu: „Die intelligenten Entwürfe sind immer die schönsten.“ Der Professor lobt: Die Eleganz der Konstruktion entspreche „der durchgängigen Haltung im Lebenswerk Jörg Schlaichs sehr gut und ist daher in besonderem Maße für den Bau eines bleibenden Zeichens am Geburtsort dieses großen Ingenieurs geeignet.“

Lässt sich der Steg an einer andere Stelle umsetzen?

Wenn also Verwaltung und Planer am Bauwerk festhalten sollten, schlägt der OGL-Fraktionsvorsitzende Andreas Stiene andererseits vor, den gewünschten Steg einfach im Häder anzulegen, um das Naturdenkmal „Sieben Linden“ zu schonen. Für den Eventcharakter könnten doch die Planer auch dort einige Bäume pflanzen lassen, damit der Wanderer auf den Steg hinaustreten kann, um den vollen Rundumblick erst zu genießen. Der Besitzer des Grundstücks, der, wie Stiene weiß, fast täglich in seinem Garten sitzt und die Landschaft genießt, ist offenbar zum Verkauf bereit. Er nennt ihn laut Stiene „des Königs Platz“. Zudem sei durch die vorhandene Wendeplatte auf dem Platz im Häder ein Ganzjahrestourismus viel einfacher zu verwirklichen. Doch der Beigeordnete lehnt ab.

Auch Peter Cheret sagt: „Wir ändern dann den Ort. Das Bauwerk ist aber hochspeziell für diesen Ort entworfen worden.“ Andreas Keil vom Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann und Partner ist der gleichen Meinung: „Das schmale Band zwischen den Bäumen und alles weitere hat mit der Topografie zu tun. An anderer Stelle wäre der Entwurf sehr undifferenziert.“ Keil zitiert seinen Lehrer, den in Stetten geborenen weltbekannten Bauingenieur und Bürogründer Jörg Schlaich mit den Worten: „Das besondere an einer Brücke ist der Ort.“ Das ist leicht zu verallgemeinern, so dass es auch für den Steg gilt.

Wo der Steg zur Karikatur wird

Jede Art von Eingriff im „Häder“ wäre dagegen „eine Karikatur seiner selbst“, sagt Peter Cheret. „Der Standort braucht keinen Steg“, sind sich der Bauamtsleiter und die Planer einig. Die schöne Aussicht gibt es dort schon. Für Schaal wäre es schlicht „verquält“, den Steg einfach zu verlagern.

Die beiden erhalten für ihr Statement sogar Applaus in der Gemeinderatssitzung, denn genau dieses Argument von der vorhandenen Aussicht lässt sich fast unverändert gegen das Bauwerk in den „Sieben Linden“ richten. Auch dort genügt die Natur bereits für einen unvergesslichen, nur in Richtung Nordosten von Gestrüpp behinderten Ausblick.

Forderung nach einer Bürgerbefragung

Während die Protestierenden die Gemeinderatssitzung wieder verlassen, wird die Forderung laut, der Gemeinderat solle eine Bürgerbefragung einleiten, bevor er gegen den Willen einer großen Einwohnergruppe entscheidet. In Baden-Württemberg kommt insbesondere Einleitung eines Bürgerentscheids durch den Gemeinderat selbst oder durch ein Bürgerbegehren in Frage.