Helmut Hess kennt sich in Afrika aus. Foto: Eva Herschmann

Der frühere Entwicklungshelfer Helmut Hess rät, bei Hungerhilfe in Somalia die Politik beiseite zu lassen. Auch mit Rebellen müsse es Verhandlungen geben.

Rommelshausen - Der gebürtige Rommelshauser Helmut Hess kennt die Probleme Afrikas. Als früherer Entwicklungshelfer kann er als Experte gelten: Er kritisiert die Somalia-Politik der Bundesregierung und der internationalen Staatengemeinschaft unter Führung der USA als aussichtslos, schätzt die von außen installierte Übergangsregierung als korrupt und unfähig ein und fordert Verhandlungen mit den bisher nur militärisch bekämpften islamischen Rebellen.

Auch die vor kurzem in einer Londoner Somalia-Konferenz versprochenen Hilfen machen Helmut Hess keine Hoffnung. „Wer Somalia kennt, glaubt nicht, dass in London etwas herauskam.“ Bisher haben ausländische Eingriffe, ob kriegerisch aus Nachbarstaaten oder der sechsmalige Versuch der internationalen Staatengemeinschaft, im Machtvakuum eine Regierung zu installieren, die Situation nur verschlimmert, sagt Helmut Hess. „Jede Intervention ist schief gelaufen. Das Problem lässt sich nicht militärisch und nicht von außen lösen.“

Die Tragik des Wegschauens

Das Elend der Somalis ist – abseits der spektakulären Piraterie – in Deutschland nur wenig wahrgenommen worden, außer als im vergangenen Jahr zusätzlich zum Leid des jahrelangen Kriegszustands eine Hungersnot nach einer Dürre viele Bewohner dahingerafft hat. Dieses Wegschauen bemängelten am Mittwoch außer dem Redner auch Besucher der Veranstaltung der Kernener SPD. Die Tragik ist aber, so sagt Hess, dass auch die eilends auf den Weg gebrachten Hilfslieferungen viele Menschen überhaupt nicht erreicht haben – aus politischen Gründen. Am „roten Tisch“ seiner Parteifreunde in der Begegnungsstätte im Haus Edelberg in Rommelshausen nannte der bekennende Sozialdemokrat die Gründe. Nach der Auflösung der staatlichen Ordnung in weiten Teilen des Landes ist der südliche Teil unter die Kontrolle der al-Shabaab, einer militanten islamistischen Bewegung geraten. In Gebiete, die nach amerikanischer Ansicht von Terroristen beherrscht werden, dürfen nach US-Recht keine Hilfsgüter fließen. „Man hat Hilfen, um nicht mit den Radikalen zu kooperieren, bewusst unterlassen. Die Leute sind dort einfach verreckt“, sagte der frühere Entwicklungshelfer für „Dienste in Übersee“ mit drastischen Worten. Ihrerseits lehnt al-Shabaab Organisationen ab, welche die Übergangsregierung anerkennen.

„Verantwortung an Somalis abgeben“

Viele Hilfsorganisationen haben nach zunehmenden Anschlägen ihre Arbeit in Somalia eingestellt, aber Helmut Hess hat nicht aufgegeben. Der frühere Leiter der Kontinentalgruppe Afrika bei „Brot für die Welt“ steht noch im Ruhestand einer Nichtregierungsorganisation vor – drei Vorstandsmitglieder sind Somalis, zwei aber Deutsche, weil sie bei Verhandlungen mit der Übergangsregierung anders als die Einheimischen nicht in Verdacht kommen, einer Interessengruppe anzugehören. Die Organisation konnte weiterarbeiten, weil sie strikt nach humanitären Prinzipien vorgeht, unabhängig von der Politik die Bevölkerung unterstützt. So sollte es auch die internationale Politik halten, fordert Hess: „Wir haben auch große Hilfsprogramme im Gebiet von al-Shabaab. Das funktioniert, wenn wir bereit sind, Verantwortung an Somalis abzugeben.“ Die fanden selbst unter den Islamisten Personen, die für einen Dialog in Frage kommen. Frieden in Somalia, so glaubt der im Mehrgenerationenhaus in Schorndorf lebende frühere Wengerter gibt es nur, wenn erstmals Vertreter aller Machtgruppen, auch islamische Rebellen, an den Verhandlungstisch kommen.