Auf Sitzstangen halten Mäusebussarde gerne Ausschau auf Beute. Foto: dpa-Zentralbild

Spezielle Sitzstangen sollen Greifvögel zur Jagd auf Mäuse animieren. Die Gemeinde Kernen hat einen Teil dieser Jagdhilfen jetzt allerdings wieder abgebaut. Turmfalke und Mäusebussard haben nämlich auch die gefährdeten Rebhühner als Beute im Visier.

Kernen - Was sind das nur für Stangen, die seit neuestem an verschiedenen Stellen auf Grünflächen in Kernen aufgestellt worden sind, auch entlang des Wassergrabens hinter der Kellerei Kern und der anschließenden Versickerungsmulden? Etwa vier Meter hoch sind die Stangen, und zum Abschluss in luftiger Höhe geht quer ein Stöckchen. „Sitzkrücken für Beutegreifer“ nennt der Vogelkundler und Fellbacher Stadtrat Michael Eick die Holzkonstruktionen. Für manche Bürger ist längst klar, was für einen Zweck die Stangen in den Langen Äckern II, dem neuen Gewerbegebiet am westlichen Ortsrand, verfolgen: Das ist nach ihrer Meinung der nächste Schlag gegen die unter anderem dort von Eick fotografisch dokumentierten seltenen Rebhühner.

Rebhühner sollen nicht gejagt werden

Auf eine Anfrage unserer Zeitung im Kernener Rathaus hin hat Bauamtsleiter Horst Schaal die etwa zehn Stangen hinter dem Anwesen der Firma Kern sowie hinter Mutschler und Teleflex wieder abbauen lassen. „Ich möchte niemand Argumente liefern für den Verdacht, wir würden die Rebhühner jagen wollen“, sagte Schaal gestern. „Wir laufen tatsächlich Gefahr, dass die Greifvögel von den Stangen auf die Rebhühner gehen.“ Das ist zuvor im Rathaus übersehen worden. Die ursprünglich 50 Holzkonstruktionen, verteilt auf die Gemarkung, sollten in der Tat Bussard, Falke und Co. zur Jagd animieren, aber nicht auf Rebhühner, sondern auf Mäuse: „Das ist seit dem Herbst vergangenen Jahres geplant, um gegen die Mäuseplage im Ort vorzugehen“, erläutert der Beigeordnete. Angebracht wurden die Jagdhilfen unter anderem in der Kammerforstheide in Stetten, in einigen Naturdenkmälern, im so genannten Sortengarten im Röhrach, am Beibach bei den Modellfliegern und sogar im Masvingo-Park.

Greifvögel halten Ausschau auf Beute

„Turmfalke und Mäusebussard können dort sitzen und Ausschau auf Beute halten“, erklärt der Vogelkundler Michael Eick. „Die schlagen auch Rebhühner, vor allem Jungtiere. Auf jeden Fall sind die Stangen kontraproduktiv für den Erhalt der Rebhühner.“ Deshalb hatte die Verwaltung auf den Hinweis eines Vogelschützers hin unmittelbar nach Start der Aktion schon solche Stangen von der Versickerungsmulde südlich parallel zur Erwin-Bahnmüller-Straße entfernen lassen. Das war dringend notwendig, zumal der von Umweltverbänden hinzugezogene Eick im Gebiet westlich von Rommelshausen nun bereits ein zweites Rebhuhnpaar und eine Single-Henne entdeckt hat. Überraschend ist diese Entdeckung nicht, nachdem Eick im Winter im Gebiet eine siebenköpfige Gruppe dokumentiert hatte. Der von der Verwaltung beauftragte Gutachter scheint nicht gründlich genug gearbeitet zu haben, sonst hätte er alle fünf Rebhühner nahe der Bebauung gefunden, meint der Biologe.

Damit zeigt sich aber auch, dass „die Gemeinde zu wenig Maßnahmen in der Pfanne hat“, wie der Vogelschützer formuliert. Ein Brutpaar braucht mindestens eine Fläche von einem Hektar mit Futtermöglichkeiten und mit Deckung gegenüber Fressfeinden. Die von der Verwaltung erworbenen Flächen sind nicht groß genug.

Der Bestand in Europa gilt als gefährdet

Der Bestand an Rebhühnern in Europa gilt als gefährdet, da er zwischen 1970 und 1990 stark zurückgegangen ist. Dies wird insbesondere auf die Zerstörung intakter Lebensräume durch die Umwandlung der Agrarlandschaft in flurbereinigte und dann intensiv mit Großmaschinen bewirtschaftete Flächen zurückgeführt.