Momentan laufen die Arbeiten im Abbruchhaus. Foto: Hans-Dieter Wolz

Andreas Stiene und seine Mitstreiter sichern vor dem Abbruch ein Fachwerk-Detail des Hauses Kleine Steige 2.

Stetten - Mit dem Fachwerkhaus Kleine Steige 2, das derzeit abgerissen wird, geht ein weiterer Teil des alten Stetten verloren. Das Bauernhaus ist in der Denkmalliste verzeichnet gewesen und wird dennoch, wie einige andere in den vergangenen Jahren, durch einen Neubau ersetzt. Die Erneuerung der mit Häusern bestandenen Ortslagen durch zeitgemäßen Wohnungsbau wird von der Kommunalpolitik auch gefördert, damit die Ortskerne nicht veröden und Wohnungsbau nicht nur Flächen verbrauchend auf der grünen Wiese entsteht. Die Kleine Steige liegt im Sanierungsgebiet, das Hausbesitzern bei Erneuerungen Zuschüsse verspricht.

Ganz verloren wird das Zeugnis früherer Zeiten allerdings für kommende Generationen nicht sein. Andreas Stiene hat das Gebäude vor dem Abriss noch für den Heimatverein begangen, dokumentiert und anhand einer Holzprobe das Alter dendrochronologisch, also durch Bestimmung der Jahresringe, feststellen lassen. Die Kleine Steige 2 „stellt ein hausbaugeschichtlich interessantes und seltenes Kleinbauernhaus des frühen 17. Jahrhunderts dar“, so lautete eine Einschätzung des Denkmalamts aus dem Jahr 1986. Die alte Expertise stimmte nicht ganz: Das zum Bau des Fachwerks benutzte Holz wurde in den Jahren 1699 und 1702 geschlagen. Es dürfte kurz darauf für den Bau verwendet worden sein.

Ein Detail des Fachwerks hat es dem gelernten Zimmermann und Bautechniker besonders angetan. Am Quertrakt des Gebäudes mit seinem seltenen L-förmigen Grundriss fallen zwei Erker auf. Solche Fenstererker folgten einer barocken Mode. Das Fenster rückte dadurch etwas vor die Fassade und sorgte für deren Gliederung. Eine selten gewordene Gestaltung: „Das gibt’s nur noch im Museum“, sagt Andreas Stiene und deutet auf das rar gewordene Baudetail.

Zusammen mit zwei gleichgesinnten Mitstreitern, Klaus Keller und August Weidinger, ist er am Donnerstag der Abbruchfirma und deren Bagger zuvorgekommen und hat das seltene Fachwerksteil von Putz, Stein und metallischen Halterungen befreit, zerlegt und abtransportiert. Das ist ein mühevolles Geschäft: Dazu musste das Trio zuvor einen Giebel und einen Teil des Dachs abbauen, die Fächer leeren und eine Wand herausnehmen.

Das Fachwerk der zerlegten Fenstererker lagert jetzt in der Systemhalle des Bauhofs bei der Stettener Kläranlage und soll bei Ausstellungen des Heimatvereins wieder aufgebaut zur Geltung kommen, wie dies schon 2006 bei einer „Giebelhocketse“ geschah. Damals erzählte Andreas Stiene anhand des von ihm 2004 vom Abbruchhaus Lange Straße 7 entnommenen Sichtfachwerks die Geschichte des Gebäudes. Grundriss, Zeichnungen und Fotos erinnerten an das abgegangene Bauernhaus des 16. Jahrhunderts. „Es ist eine wichtige Aufgabe des Heimatvereins, diese alten Gebäude zu dokumentieren“, sagt Stiene. „Wir beschränken uns nicht auf die Denkmäler, andere Häuser sind für die Sozialstruktur des Ortes genauso wichtig.“