Eberhard Kögel (PfB) hofft auf eine Resolution des Gemeinderats gegen TTIP Foto: Privat

Über Freihandelsabkommen wie TTIP will Bürgermeister Alten-berger im Gemeinderat nicht diskutieren. Eberhard Kögel (PfB) bedauert dies.

Kernen – - Zwei grundlegend verschiedene Auffassungen über das Wirken des Gemeinderats sind in den vergangenen Sitzungen in Kernen aufeinander getroffen. Bürgermeister Stefan Altenberger begrenzt das Wirken des Gremiums, dem er vorsitzt, auf ein straffes Abarbeiten der örtlichen Problemfelder und Entscheidungen: „Wir sollten uns um die Fragen kümmern, die die Gemeinde Kernen originär betreffen“, sagt er. Neu-Gemeinderat Eberhard Kögel vom Parteifreien Bündnis (PfB) dagegen sieht die Aufgabe eines Gemeinderats auch darin, politisch zu wirken. Wegen des Kögel-Vorstoßes, eine Resolution gegen die derzeit verhandelten Freihandelsabkommen zu beschließen, prallten beide Auffassungen in der jüngsten öffentlichen Sitzung aufeinander. Die Ratsmitglieder folgten bei der Abstimmung mit sehr großer Mehrheit der Ansicht des Bürgermeisters. Sie wollten ihn nicht dazu zwingen, den Resolutionsentwurf Eberhard Kögels in der nächsten Sitzung auf die Tagesordnung des Gemeinderats zu setzen. Unsere Zeitung sprach mit ihm, warum er das Thema des Transatlantischen Freihandelsabkommen, abgekürzt TTIP, und anderer geplanter Staatsverträge für so wichtig hält.
Der Gemeinderat entscheidet über örtliche Belange. Warum wollen Sie eine Resolution zu einer internationalen Frage verabschieden?
Die geplanten Freihandelsabkommen TTIP, TISA und CETA haben sehr weitreichende Auswirkungen auf die kommunale Ebene. Denn hinter diesen Abkommen steckt ein gezielter Angriffe internationaler Konzerne und marktradikaler Kräfte in der Politik, in den USA und Europa, auf den enormen Markt der Daseinsvorsorge und der kommunalen Dienstleistungen. Schätzungen an den internationalen Finanzmärkten gehen davon aus, dass durch die Privatisierung des Wassermarktes 1 Billion, des Gesundheitswesens 3,5 Billionen und des „Bildungsmarktes“ 2,5 Billionen Dollar Profit zu machen wäre. Wohlgemerkt Profit, nicht Umsatz.
Welche Gefahr geht von TTIP und vergleichbaren Abkommen für die Gemeinde aus?
Für die Gemeinden bedeuten TTIP und die Folgen eine immer weitergehende Aushöhlung der grundgesetzlich (und europarechtlich) garantierten Selbstverwaltungsrechte und des Subsidiaritätsgrundsatzes, das heißt, dass Dienstleistungen immer auf der unterst möglichen Ebene erbracht werden sollen.
Betrifft das die Bürger? Welche Gefahr geht von TTIP und anderen internationalen Verträgen für die Bürger aus?
Wie bei allen Privatisierungen (unter der Voraussetzung, dass die Freihandelsabkommen das Einfallstor für Privatisierungen großen Stils darstellen) ist langfristig mit einer Verteuerung der Leistung und der Vernachlässigung von Ersatzinvestitionen zu rechnen. Dafür gibt es leider weltweit sehr viele Beispiele. Außerdem werden durch die privatwirtschaftliche Organisation von wesentlichen Bereichen der Daseinsvorsorge diese der demokratischen Kontrolle der Bürger entzogen.
Viele Dienstleistungen, die zuvor von Monopolbetrieben der öffentlichen Hand ausgeführt wurden, sind preisgünstiger geworden, nachdem Wettbewerb entstand.
Ich glaube nicht an diesen Zusammenhang. Sicher ist es richtig, dass zum Beispiel durch die Liberalisierung des Post- und Paketmarktes der Versand von Paketen vordergründig billiger geworden ist. Aber dieses „billiger“ wird erkauft mit einem radikalen Absenken tariflich garantierter Standards bei den Löhnen. Zudem ist der volkswirtschaftliche und der Umweltschaden dieser Privatisierung enorm. Denn statt wie früher ein Paketzusteller fahren jetzt bis zu zehn Paketzusteller jeden Tag mit ihren Lieferwagen dieselbe Strecke durchs Dorf oder die Stadt und verursachen enorme Abgase und Umweltschäden.
Was ist, wenn eine Firma, die im Besitz der öffentlichen Hand verbleibt, als GmbH wie eine private Firma strukturiert ist, siehe das Remstalwerk?
Wie schon oben ausgeführt, bedeutet Privatisierung den Verlust demokratischer Kontrolle. Auch eine sich in öffentlicher Hand befindliche GmbH hat einen Verlust demokratischer Kontrolle und ein „Abheben“ der dort vertretenen Aufsichtsratsmitglieder, die auch noch zur Geheimhaltung verpflichtet sind, zur Folge.
Die Befürworter von TTIP und anderen internationalen Freihandelsabkommen erhoffen sich, dass zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Trügt diese Hoffnung?
Bei der Beschreibung der Vorteile des Freihandels ist viel Propaganda im Spiel. Letzten Endes geht es nur um die Vorteile für große Konzerne. Kritiker halten den Zuwachs bei Arbeitsplätzen für minimal. Außerdem wäre zu prüfen, ob es sich dann nicht um Arbeitsplätze im Billiglohnbereich handelt, die Millionen von Beschäftigten in die letzten Endes vom Steuerzahler zu finanzierende Altersarmut führen.
Wen interessiert denn eine Kernener Resolution? Ist das nicht nur Handlungssymbolik?
Natürlich hat eine Kernener Resolution zu TTIP zunächst mal eine symbolische Wirkung. Aber vorstellbar wäre natürlich, dass wir hier in Kernen eine Entwicklung anstoßen oder Teil einer Bewegung werden, die sich immer weiter ausbreitet und dann tatsächlich eine breite politische Wirkung entfaltete. Um diese breitere Wirkung zu erzielen, genügt es nicht, wie von unserem Bürgermeister vorgeschlagen, sich nur darauf zu verlassen, dass der Deutsche Städte- und Gemeindebund eine Stellungnahme abgibt.