Auf dem Tharir-Platz demonstrieren Frauen für ihre Rechte. Foto: dpa

Die italienische Journalistin Giuliana Sgrena spricht über die Schattenseiten des Arabischen Frühlings. Frauen sind auch nach der Revolution unterdrückt wie zuvor.

Stetten - Das Trauma ist nicht überwunden. Giuliana Sgrena sinkt in sich zusammen, als sie auf ihre Entführung im Irak angesprochen wird. Ihr Blick geht zu Boden, die Arme sind verschränkt, als ob sie sich so gegen weitere Angriffe schützen könnte. Vier Wochen lang hatte sie im Frühjahr 2005 Todesängste ausgestanden. „Ich leide heute noch unter den Ereignissen“, sagt Giuliana Sgrena.

Giuliana Sgrena Foto: Sascha Sauer
Die italienische Journalistin ist am Montagabend ins Museum unter der Y-Burg gekommen, um als Gast des Vereins Allmende über die Rolle der Frauen im Arabischen Frühling zu sprechen. Giuliana Sgrena hat sich nach ihrer Entführung in die Arbeit gestürzt. Sie wollte vergessen, erzählte sie. Und sie wollte als Journalistin und nicht als Kriegsberichterstatterin verstanden werden. Sie hatte genug von Tod und Blut. Da war die Volksrevolution in Tunesien ein Lichtblick. „Die Kultur des Todes wurde durch die Kultur der Hoffnung ersetzt“, sagt Giuliana Sgrena.

Aber in den Freiheitsbewegungen des Arabischen Frühlings spielten auch die Frauen eine wichtige Rolle. Es waren überwiegend nicht-religiös geprägte Frauen, die ihre Rechte als Bürgerinnen einforderten und sich aus ihrer jahrhundertelangen Unterdrückung durch religiöse Vorschriften befreien wollten.

Während die Frauen in Tunesien schon vor der Revolution gleichberechtigt waren und stets freier und offener lebten als in anderen nordafrikanischen oder arabischen Ländern, zeigte sich die Lage in Ägypten anders. Auch dort hatten sich Frauen aktiv an der Revolution beteiligt, haben auf dem Tahrir-Platz übernachtet. Das war allerdings für viele Männer ein rotes Tuch. „Als sich die Islamisten an der Revolution beteiligten, kam es bis zu Vergewaltigungen von Frauen“, sagt Giuliana Sgrena.

Es gibt zahlreiche Zeugnisse, dass Frauen geschlagen wurden

Als das Militär in Ägypten an die Macht kam, wurde die Lage nicht besser. Giuliana Sgrena berichtet von Straßenkontrollen, bei denen Frauen auf ihre Jungfräulichkeit überprüft wurden. Ebenso gibt es zahlreiche Zeugnisse von Frauen, die vom Militär geschlagen und vergewaltigt wurden. „Mit dem Militär und den Islamisten haben sich zwei Feinde der Frauen zusammengetan“, sagt die Journalistin.

Die den Umstürzen folgenden Wahlen brachten fast überall rückwärtsgewandte religiöse Strömungen an die Macht, die die Frauen dafür bestraften, dass sie im Arabischen Frühling neue Freiheiten eingefordert und verwirklicht hatten.In Libyen etwa gilt nach dem gewaltsamen Tod des selbst ernannten Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi das islamische Recht der Scharia.

Die Frauen gehören zu den Verlierern des Arabischen Frühlings. „Es werden junge Mädchen nach Syrien geschickt, um dort die sexuellen Bedürfnisse der Söldner zu befriedigen“, erzählt Giuliana Sgrena den rund 30 Zuhörern. Doch dem nicht genug. Die Söldner für den Dschihad würden mit obskuren Versprechen gelockt: Wer im Krieg fällt, bekommt im Paradies Jungfrauen geschenkt.