Die Bratwurst erfreut sich nicht nur in WM-Zeiten vieler Fans – doch was wirklich in der Pelle steckt, ist für viele Verbraucher kaum nachvollziehbar. Foto: AFP

Geflügelwurst ohne Geflügel, Vanillejoghurt ohne Vanille – immer wieder fallen Verbraucher auf die Tricks der Lebensmittelindustrie herein. Die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion erklärt im Gespräch, woran strengere Auflagen scheitern.

Stuttgart - Mehr Schutz vor irreführenden Lebensmittelangaben: Dafür ist Berlin nach Einschätzung von Elvira Drobinski-Weiß ein großer Schritt gelungen. Mit der Offenburger SPD-Bundestagsabgeordneten sprach Bernhard Walker.

In puncto Verbrauchertäuschung sind manche Lebensmittelproduzenten kreativ. Von 25 Superfood-Smoothies, die die Verbraucherzentrale Hessen dieser Tage untersuchte, enthielten viele kaum Gojibeeren oder Chiasamen. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Auf Druck der SPD sind zum 1. Juli Änderungen eingetreten, die ein wichtiger Schritt nach vorn sind. Die Frage, was in einem Lebensmittel enthalten sein muss, legt ja die so genannte Lebensmittelbuchkommission in vielen verschiedenen Leitsätzen für die einzelnen Waren fest. Und diese Kommission ist nun auf das Ziel verpflichtet, sich bei den Leitsätzen an den Erwartungen der Verbraucher auszurichten und sie vor Irreführung und Täuschung zu schützen.
In der Kommission sitzen aber auch Vertreter der Lebensmittelwirtschaft, die an ihre eigenen Interessen denken.
Deshalb war es uns Sozialdemokraten wichtig, dass auch Verbraucherforscher in das Gremium berufen werden. Und das haben wir erreicht. Auch haben wir durchgesetzt, dass die Gruppe der Wissenschaftler in der Kommission die Möglichkeit bekommt, auf Missstände zu reagieren - und zwar in der Form, dass sie das Gremium dazu bringen kann, sich mit dem Missstand zu befassen. Die neutrale Stimme, die für die Verbraucher spricht, kann sich also Gehör verschaffen.
Welche Rolle spielt die Öffentlichkeit?
Eine ganz zentrale. Seit einiger Zeit gibt es schon das Internetportal lebensmittelklarheit.de. Dort melden Verbraucher, wenn ihnen etwas auffällt - wenn also der Vanillejoghurt keine Vanille enthält und die Geflügelwurst Schwein statt Pute enthält. Diese Hinweise fließen in die Arbeit der Kommission ein. In fünf Jahren prüfen wir dann, ob sich die Neuerungen bewährt haben.
Das klingt arg verhalten.
Das bin ich aber nicht. Uns ist jetzt ein großer Schritt hin zu mehr Transparenz und Verbraucherschutz gelungen. Nur muss man sich klar machen, dass sich der Markt immer verändert und man also laufend an Verbesserungen arbeiten muss.
Was meinen Sie konkret?
In letzter Zeit entscheiden sich, um ein Beispiel zu nennen, viele dafür, vegan oder vegetarisch zu essen. Deshalb muss klar sein, dass keine Gelatine in veganen Produkten steckt und vegetarische Ware tatsächlich kein Fleisch aufweist.
Genau dafür ist die Lebensmittelbuchkommission ja da.
Richtig. Und ich appelliere an die Kommission, dafür einen Leitsatz auszuarbeiten. Daneben braucht es aber Regeln für die Kennzeichnung dieser Waren auf der Packung, was eine staatliche Aufgabe ist. Das allerdings blockiert die CDU/CSU. Wir Sozialdemokraten drängen aber weiter darauf, dass die Bundesregierung eine entsprechende Initiative auf europäischer Ebene ergreift.
Wird es dazu in dieser Legislaturperiode noch kommen?
Ich würde jetzt gerne mit Ja antworten, kann es aber nicht. Dafür musste ich zu oft erleben, dass die CDU/CSU Fortschritte entweder nur nach sehr zähem Ringen mitgeht oder diese ganz blockiert. Der Gammelfleischskandal liegt Jahre zurück - und trotzdem erfahren die Bürger bis heute nicht, was die Behörden bei Hygiene- und Qualitätskontrollen von Lebensmittelfirmen und Gastronomiebetrieben herausgefunden haben. Für dieses Armutszeugnis ist Agrarminister Christian Schmidt verantwortlich, der an dieser Stelle die nötige Transparenz verhindert.

Elvira Drobinski-Weiß (65) ist Diplompädagogin und arbeitete als Rektorin einer Schule in Waldkirch. Im Mai 2004 zog sie erstmals in den Bundestag ein. Sie ist verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.