Historisch anmutende Weinetiketten sollen Blicke auf sich ziehen. Foto: Patricia Sigerist

2021 wechseln Stettener Winzer von der Remstalkellerei zu Kern. Eine neue Weinedition weist in die Zukunft – sie trägt außergewöhnliche Etiketten.

Kernen - Rund 80 Prozent der Weinliebhaber treffen ihre Kaufentscheidung spontan am Regal, sagt Christoph Kern von der Kellerei Kern in Rommelshausen. Gut möglich, dass sie demnächst einige Flaschen in die Hand nehmen, um deren Etiketten genauer zu studieren. Auf den ersten Blick sind es historisch anmutende Personen, die einem entgegenblicken. Aber warum trägt einer einen Bart aus Trauben und eine Frau mit grünem Haar eine Tätowierung am Hals? Die Kellerei widmet eine Edition mit zunächst sechs Weinen dem zweiten Ort der Gemeinde Kernen. „Von Stetten“ heißt sie, was adelig klingt, aber vor allem eine Herkunftsbezeichnung sei, wie Kern erklärt: „Von Stetten“ sei die schwäbische Antwort der Bewohner, wenn sie gefragt würden, woher sie kommen.

Eigensinnig und wehrhaft

Stetten im Remstal hieß der Ort bis zur Gemeindereform 1975. Eigen waren sie immer, die Bürger von dort, nachzulesen etwa in den Geschichten des Pfeffer von Stetten. Und stets wehrhaft, wie der Zusammenschluss mit Rommelshausen zeigt, gegen den sich Stetten auflehnte. Verteidigen gegen Überfälle von Nachbarn, rebellieren gegen die Obrigkeit, wie die Geschichte mehrfach belegt, unangepasst sein, das sind Begriffe, mit denen die Kerns bei der Edition „Von Stetten“ spielen. „Wir wollen die Einzigartigkeit des Ortes hervorheben“, sagt Christoph Kern, und die Einzigartigkeit der Weinlagen.

Der Riesling war in Stetten immer eine Hauptrebsorte, „Trends haben sich die Wengerter nicht angeschlossen“. Seit gut 20 Jahren baut Kern Weine von Stettener Winzern aus, die Weißweine seien „herausragend“. Auf rund acht Hektar Fläche wuchsen die Reben für die neue Edition. 2021 kommen stattliche 40 Hektar Stettener Lagen dazu. Dann lassen auch die Winzer der Weingärtnergenossenschaft Stetten ihre Trauben bei Kern ausbauen. Aus Unzufriedenheit kehren sie der Remstalkellerei den Rücken. Die auch in sozialen Netzwerken offensiv vermarktete Linie „Von Stetten“ dürfte der Remstalkellerei kleine Nadelstiche versetzen. „Das war nicht unser Ziel“, sagt der 33-jährige Kern, er verweist lieber auf die Stichworte „unangepasst, tollkühn, standhaft“, mit denen die Edition versehen ist. Die künftigen Partner seien natürlich mit in die Pläne einbezogen worden.

Auffällige Etiketten

Ähnlichkeiten mit bestehenden Persönlichkeiten auf den Etiketten mit „Wein-Rebellen“ wurden bewusst vermieden. „Wir wollten niemanden instrumentalisieren“, sagt Kern. Auffallen sollen die Flaschen gleichwohl. So wurden dem Repräsentanten des „Edlen Weissburgunder“ von der beauftragten Agentur vier Augen verpasst: Die Rebe neige zur Mutation zum Grau- oder Spätburgunder. Beim „Pulvermächer Riesling“ verpassten die Zeichner der Figur eine rauchende Pfeife, als Reminiszenz an den Sprengmeister, den Namenspaten der Rebsorte.

Rund 5000 Flaschen je Sorte wurden zum Start abgefüllt, sie bewegen sich „im mittelpreisigen Segment“, wie Christoph Kern sagt. Verkauft werden sie in der Kellerei, aber sie dürften von der kommenden Woche an auch in Märkten wie Rewe oder Edeka in der Umgebung stehen. Wenn mehr Stettener Winzer mit an Bord sind, soll die Edition „Von Stetten“ erweitert werden. Ein Häder-Riesling oder ein Mönchberg-Trollinger könnten das Portfolio erweitern.

Die Stettener Weincharaktere überzeugten „mit Herkunft und Haltung“. Wie die Menschen: „Rebellen sitzen auch im Gemeinderat“, sagt Christoph Kern grinsend, der der UFW-Fraktion angehört.