Frohgemut aus dem Amt: Joachim Gauck hört im Februar 2017 als Bundespräsident auf. Foto: dpa

Der Bundespräsident kündigt seinen Abgang an, und die Parteien enthalten sich aus Respekt Nachfolgespekulationen – zumindest öffentlich.

Berlin - Es ist kurz vor halb zwölf am Montagvormittag, als die allerletzten Zweifel Joachim Gaucks politische Zukunft betreffend ausgeräumt sind. In diesem Moment nämlich kreuzen sich kurz die Wege der Journalisten, die im Schloss Bellevue auf die Erklärung des Bundespräsidenten warten, mit dem seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt. Gut gelaunt schreitet sie die Treppen des Seitenflügels hinauf und antwortet auf die Frage einer Mitarbeiterin, ob sie denn ein schönes Wochenende gehabt habe, voller Inbrunst: „Ja, ein sehr schönes Wochenende.“ Die Antwort wäre sicherlich anders ausgefallen, wäre sie nicht damit einverstanden gewesen, was am Wochenende auf der Titelseite des Blattes mit den großen Buchstaben prangte: „Gauck macht Schluss!“

Mit ihr sowieso nicht, sondern mit dem Staatsamt. Auch wegen ihr. So wird es eine halbe Stunde später aus dem Zwischenraum der Zeilen hervorklingen, mit denen Bundespräsident Gauck seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit begründen wird. „Ich bin dankbar, dass es mir gut geht“, sagt der 76-Jährige, als er über sein Alter redet und vielleicht auch die ihnen noch gemeinsam bleibende Zeit meint: „Gleichzeitig ist mir bewusst, dass die Lebensspanne zwischen dem 77. und 82. Lebensjahr eine andere ist als die, in der ich mich jetzt befinde.“ Deshalb will er „für eine erneute Zeitspanne von fünf Jahren nicht eine Energie und Vitalität voraussetzen, für die ich nicht garantieren kann“.

Gauck betont den Wechsel als demokratische Normalität

Die Zuhörer nehmen Gauck durchaus ab, dass ihm diese Entscheidung „nicht leicht gefallen“ ist. Der nicht ganz uneitle Präsident hat es aber nicht genossen, vor gut vier Jahren für das Amt ausgewählt worden zu sein. Der leidenschaftliche Diskutierer hat auch Spaß am Alltag des Jobs selbst, den vielen Gesprächen und Begegnungen mit „Menschen, die durch ihr beharrliches, oft selbstloses Engagement dafür sorgen, dass unser Land täglich stärker und schöner wird“.

Gauck weiß auch, dass Deutschland und Europa vor gewaltigen Herausforderungen stehen, sich im Innern nationalistische Kräfte Bahn brechen, die lange nur noch Stoff für die Geschichtsbücher zu sein schienen, weshalb ein wenig Kontinuität im obersten Amt der Bundesrepublik vielleicht nicht das Schlechteste gewesen wäre. In der ihm eigenen Art wischt der Noch-Präsident all diese düsteren Gedanken beiseite: „Unser Land hat engagierte Bürger, und es hat funktionierende Institutionen“, sagt er, während die Sonne über Berlin durch die Fenster seines Amtssitzes in den Großen Saal hinein scheint: „Der Wechsel im Amt des Bundespräsidenten ist in diesem Deutschland daher kein Grund zur Sorge; er ist vielmehr demokratische Normalität, auch in fordernden, auch in schwierigen Zeiten.“

Die Worte sind wohl abgewogen. Aus dem Bundespräsidialamt ist zu hören, dass der Termin am Montag nicht wegen der Presseveröffentlichungen vom Wochenende gekommen, sondern von langer Hand geplant worden ist. Die Verfassungsorgane, also die Spitzen von Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht waren vorab informiert, „vor zwei, drei Wochen“, wie es aus Parteikreisen heißt. Genug Zeit also, um dafür zu sorgen, dass Gauck auch dieses Mal wieder den richtigen Ton trifft. Seine kaum drei Minuten dauernde Erklärung schließt mit einer feierlichen Feststellung: „Wir haben gute Gründe, uns Zukunft zuzutrauen.“

Für solche Sätze mögen ihn die Menschen. „Er hat dem Amt seine Würde zurückgegeben“, meint Rudi Nöker, ein Sauerländer auf Berlin-Fahrt, der vor dem Zaun von Schloss Bellevue steht und extra herbeigeeilt ist, um etwas mitzubekommen vom Wirbel um Gauck. „Ich hätte mir gewünscht, dass er weitermacht, kann aber auch verstehen, dass er es wegen seines Alters nicht tut.“ Das Urteil des Berlin-Touristen Thomas Keppeler aus Ravensburg fällt ganz ähnlich aus: „Joachim Gauck ist ein sehr souveräner Bundespräsident, der Deutschland im Ausland gut vertreten hat.“

Gabriel lobt den “exzellenten Präsidenten“

Das ist auch, von der Linkspartei einmal abgesehen, auch die vorherrschende Meinung im politischen Berlin. Was die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin von ähnlichem Format nicht einfacher macht. Wohl auch deswegen haben sie vereinbart, unisono nichts über mögliche Kandidten zu sagen, sondern ganz allein den nun bald Abtretenden zu würdigen und das Bedauern über seinen Abgang herauszustellen. Kanzlerin Angela Merkel sagte, sie habe sich „eine zweite Amtszeit gewünscht“, respektiere aber natürlich Gaucks Entscheidung. Nun müsse „in aller Ruhe“ darüber gesprochen werden, so die CDU-Vorsitzende, wer ihn ersetzen soll. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt über die nun folgenden Parteiengespräche gar nichts, sondern lobt einzig den „exzellenten Präsidenten“, dessen Tag allein dieser Montag sein soll.

Joachim Gauck selbst freut sich auf die verbleibenden Monate seiner Amtszeit, wie er sagt: Bis dahin werde er seine „Aufgaben mit allem Ernst, mit Hingabe und mit Freude erfüllen“.