Trotz seines barocken Schlosses ist Ludwigsburg eine moderne Stadt. Meistens zumindest. Foto:  

Dass die Stadtgründungsfeier in Ludwigsburg dieses Jahr ausfällt, ist schade. Aber vielleicht hat das auch etwas Gutes. Im Sinne der Gleichberechtigung.

Ludwigsburg - Zum Umschalten in den neuen Alltags-Modus eine kleine Quizfrage: Was haben Fortschritt und Stillstand gemeinsam? Zugegeben, die Antwort ist nicht ganz einfach, aber irgendwie doch naheliegend: Beide sind männlich. DER Fortschritt, DER Stillstand. Wie nah beides auch sonst beinander liegt, hätte man an diesem Freitag anschaulich in Ludwigsburg bestaunen können. Dass es nicht so kommt, liegt, man ahnt es, an Corona. Das Virus macht das Feiern der Stadtgründung im Residenzschloss unmöglich. Und damit auch die persönliche Verleihung der Bürgermedaille, der höchsten Auszeichnung, die die Stadt zu vergeben hat.

Eine fragwürdige Symbolik

Diese Ehre wird Menschen zuteil, die sich um die Stadt oder ihre Bürger „besonders verdient gemacht haben“, wenn man so will: für Fortschritt gesorgt haben. Dieses Jahr hat der Gemeinderat gleich drei Persönlichkeiten ausgewählt. Oder, um präziser zu sein, drei Männer im fortgeschrittenen Alter. Ganz genauso wie anno 1956, als die Medaille erstmals verliehen worden ist.

Natürlich, bekennt der recht junge Oberbürgermeister Matthias Knecht, 44, habe man über diese patriarchale Symbolik gesprochen. Aber das Werk der Herren nicht zu würdigen, weil keine Frau in der Runde ist, sei keine Alternative gewesen. Im Vordergrund solle schließlich die Leistung stehen, nicht das Geschlecht.

Die besseren Hälften schneiden schlecht ab

Sieht man mal davon ab, dass so auch Gegner einer Frauenquote argumentieren, ist es ganz offensichtlich auch so, dass Frauen einfach nicht eine so fulminante Leistung erbringen wie Männer. Wie sonst könnte es sein, dass von den 60 Bürgermedaillen im Laufe der Jahrzehnte, nur zehn an die so genannten besseren Hälften gingen? In den konkreten Fällen haben sie sich um Kinder, Kranke und Ausgegrenzte gekümmert, „selbstlos und unermüdlich“ versteht sich.

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Und auch mit Blick auf die aktuellen Geehrten kommt man nicht umhin zu fragen: Wie hätte eine Frau all das schaffen sollen, was Eckart Bohn, 76, geschafft hat? Mitglied im Gemeinderat und Kreistag (SPD), Gründer des hiesigen Mieterbunds, im Hauptjob Behindertenwerkstätten aufbauen und Pflegeheime. Herr Bohn wäre vermutlich nicht amused gewesen, wäre Frau Bohn immer unterwegs gewesen.

Eine Frau, keine Medaille

Oder schauen wir auf Roland Kromer, 78, Stadtrat (CDU), Sport-As (Laufen), Bundestrainer, Sportförderer und im Hauptberuf Vizechef des Landesinstituts für Schulsport. Kromer ist einer, der weiß, dass er das ohne eine starke Frau im Rücken nicht hingekriegt hätte. Zugedacht aber wurde die Medaille ihm, dem Mann.

Ebenso Klaus Hoffmann, 84, der ehemalige Stadtrat (Grüne), Beschützer der städtischen Baukultur und Architektur, der nun auch ein Geehrter ist. Auch seine Frau Erika hat sich verdient gemacht. Durch sie wurde das Babytragetuch in Deutschland bekannt, mit dem sie in den 70er-Jahren ihre eigene Firma aufgebaut hat, die heute als Didymos weltbekannt ist. Und die unzähligen Müttern das Leben erleichtert hat. 2015 ist Erika Hoffmann gestorben, ohne Bürgermedaille.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Über das Nachholen des Festaktes ist noch nichts entschieden. Ganz vielleicht wird bei der Stadtgründungsfeier 2021 eine Doppelehrung vorgenommen. Ganz vielleicht zählt zu den verdienten Persönlichkeiten dann auch eine Vertreterin des so genannten schwachen Geschlechts. Das sollte doch möglich sein. Wie jeder fortschrittliche Mensch weiß, ist auch die schwächste Frau noch stark genug, um mehrere Männer auf den Arm zu nehmen.