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Eine bundesweite Spritpreis-Datenbank soll extreme Preisschwankungen an der Zapfsäule eindämmen. Doch nun deutet sich ein Geburtsfehler an: Kleine Anbieter sollen durchs Raster fallen.

Berlin - Am Anfang war das Gefühl der Ohnmacht und der Wut. Jedes Mal, wenn die Reisewelle auf den Autobahnen anrollt, also zu Ostern, Pfingsten und wenn die großen Ferien beginnen, klettern die Spritpreise. Die Autofahrer haben dann den Eindruck, an der Zapfsäule abgezockt zu werden. Immer wieder erklingt der Ruf nach staatlicher Kontrolle der Spritpreise, das Bundeskartellamt nahm bereits das Preisgebaren der Branche unter die Lupe.

Irgendwann hatte der frischgebackene Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eine Idee: Keine staatliche Spritpreis-Bremse, aber eine staatliche Spritpreis-Datenbank, die sollte es geben. Seine Idee passt gut zu einem Liberalen: Wettbewerb, so das Versprechen des Marktes, lässt die Preise purzeln. Und der Wettbewerb um den Kunden an der Zapfsäule ist dann am schärfsten, wenn der Autofahrer die volle Transparenz hat. Transparenz im Tankstellen-Geschäft ist leicht zu definieren. Erstens: Der Autofahrer muss rund um die Uhr, etwa per Handy, erfahren können, für wie viel Cent der Liter Sprit irgendwo in der Republik verkauft wird. Und zweitens: Alle, aber auch restlos alle der bundesweit 14 700 Tankstellen müssen mitmachen und in Echtzeit ihre Preise übermitteln.

Die Idee der Markttransparenzstelle war damit geboren. Nach anfänglichem Zögern konnte sich sogar die Branche, also die Mineralölwirtschaft und die Tankstellenbetreiber, für die Idee erwärmen. Inzwischen sind so gut wie alle Marktteilnehmer dafür. Sie geben zwar keine Garantie dafür ab, dass die Preise bröckeln. Sie glauben aber daran, dass die Spritpreis-Kontrolle etwas mehr Ruhe in einen hektischen Markt bringen könnte. Ein Branchenkenner sagte gegenüber unserer Zeitung: „Wenn es gut läuft, werden sich die Preisschwankungen verlangsamen.“ Voraussetzung der Branche ist aber: Keine Ausnahmen, alle Tankstellen müssen mitmachen.

Im November hat der Bundestag den Aufbau der bundesweiten Spritpreis-Datenbank beschlossen. Die Beamten im Wirtschaftsministerium arbeiten gerade die Durchführungsverordnung aus, die alle Details für den Aufbau des Systems regeln soll. Ende Januar soll sie fertig sein.

Doch nun deutet sich ein schwerer Geburtsfehler bei der bundesweiten Spritpreis-Kontrolle an: Das Bundeswirtschaftsministerium plant nach Informationen unserer Zeitung eine Härtefall-Klausel: Nur Tankstellen, die mehr als eine Million Liter Sprit im Jahr verkaufen, sollen dazu verpflichtet werden mitzumachen. Wie viele Tankstellen genau dann ihre Preise nicht mehr melden müssten, ist nicht klar. Brancheninformationen zufolge dürfte die Härtefallklausel ein Freibrief für mehrere Hundert Tankstellen sein, sich dem Preiserfassungssystem zu entziehen.

Im Schnitt verkauft eine Tankstelle rund vier Millionen Liter Sprit im Jahr. „Kein Mensch weiß, wie sich der Durchschnittswert verteilt“, so ein Kenner der Szene. Autobahntankstellen an befahrenen Strecken dürften ein Vielfaches verkaufen. Womöglich gibt es sogar Tausende von Tankstellen, die unter der Schwelle von einer Million Litern sind und von der Meldepflicht entbunden würden. Die Branche ist alarmiert. Der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen, Uniti, teilt mit: „Werden zu viele Tankstellen durch eine Härtefallklausel von der Meldepflicht befreit, kann die vom Gesetz erwartete Transparenz nicht gewährleistet werden.“ Das System werde nur funktionieren, wenn der Autofahrer die Tankstelle, bei der er Stammkunde sei, finde, entweder per Handy-App, im Internet oder im Navigationssystem.

Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, kündigt seinen Protest an. Er sagte unserer Zeitung: „Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Unser Ziel muss es sein, den Markt möglichst umfassend zu erfassen.“ Und weiter: „Wenn auch nur fünf Prozent der Tankstellen nicht mitmachten, wäre dies zu viel.“

Die Kosten für den Aufbau der Spritpreis-Kontrolle sollen überschaubar sein. Bis das System läuft, muss die Branche sechs Millionen Euro investieren. Diese Schätzung stammt vom Normenkontrollrat, der bei neuen Gesetzesvorhaben im Auftrag der Bundesregierung die Bürokratiekosten schätzt. An laufenden Kosten, so heißt es, kommen auf die Tankstellen monatlich zehn bis 25 Euro für die Übermittlung der Daten hinzu. Die Daten sollen vom Bundeskartellamt gesammelt und aufbereitet werden. Danach stehen sie jedermann zur Verfügung. Einschlägige private Online-Portale stehen bereits in den Startlöchern und wollen Autofahrern den Weg zur günstigsten Zapfsäule weisen.