Stau am Olgaeck: Mit der Umsetzung des neuen Verkehrskonzepts soll sich die Lage auf Stuttgarts Straßen entspannen. Foto: dpa

Zur Abwechslung ohne ideologische Gefechte ist im Rathaus der Weg zu einem Zukunftskonzept für den Verkehr in Stuttgart beschritten worden. In dem Entwurf, der unter dem Grünen-OB Fritz Kuhn überarbeitet wurde, ist die Citymaut nicht mehr vorgesehen.

Zur Abwechslung ohne ideologische Gefechte ist im Rathaus der Weg zu einem Zukunftskonzept für den Verkehr in Stuttgart beschritten worden. In dem Entwurf, der unter dem Grünen-OB Fritz Kuhn überarbeitet wurde, ist die Citymaut nicht mehr vorgesehen.

Stuttgart - OB Fritz Kuhn hat den Stadträten einen neuen, 142-seitigen Entwurf für ein Verkehrsentwicklungskonzept (VEK) mit dem Zieljahr 2030 vorgelegt. Dabei sagte er im Technik-Ausschuss, für die ideologischen Grundsatzkämpfe von gestern stünde er nicht zur Verfügung. Dafür tauge das Konzept nicht. Sein Appell: Man möge sich nicht nur Wunschprojekte herauspicken, sondern einen Gesamtkatalog von Maßnahmen für alle Verkehrsmittel und für Fußgänger verfolgen. Am Ende soll eine nachhaltige Mobilität stehen mit weniger Staus, weniger Luftschadstoffen und weniger Stress. Dies sei in der Autostadt nur mit der Autoindustrie zu schaffen, die ihre Rolle in einem anderen Umfeld mit neuartigen Fahrzeugen sichern müsse. Stuttgart habe eine große Chance, Pionierstadt zu werden.

Das Konzept war schon unter OB Wolfgang Schuster (CDU) vorbereitet worden, unter Kuhn wurde es neu aufgesetzt und um einen Aktionsplan für nachhaltige Mobilität ergänzt. Zudem setzte Kuhn einen Lenkungskreis ein, dem er selbst und vier Bürgermeister angehören. Im neuen Entwurf ist die Citymaut nicht einmal mehr als Fernziel enthalten, weil sie nicht konsensfähig und nicht umsetzbar sei. Verkehrsleitzentrale und Verkehrslenkung sollen ausgebaut werden, aber auch die Verkehrsüberwachung. Der Stuttgart Service Card ist eine Schlüsselrolle zugedacht, damit die Menschen Fahrten mit verschiedenen Verkehrsmitteln besser kombinieren können und sie ein elektronisches Ticket für alles haben.

Überwachung nicht übertreiben

Im öffentlichen Nahverkehr setzt man nicht nur auf den Ausbau des Streckenangebots, etwa durch neue Tangentiallinien, längere Busse und Züge oder Schnellbusse. Auch attraktivere Tarifangebote werden angestrebt. Hier appellierte Kuhn, dem neuen, aufgewerteten Jobticket für städtische Mitarbeiter nicht im Wege zu stehen. Die Idee sei bei anderen Firmen gut angekommen. Daher wäre es peinlich, wenn ausgerechnet die Stadt dieses Ticket nicht einführen würde.

Zum Arsenal zählt auch die Erweiterung der Parkgebührenregelung. Parken im Zentrum soll teurer sein als der Nahverkehr. Das Zustellen der neuen, gemischten Verkehrsfläche in der Tübinger Straße mit Autos sei ein Rechtsbruch, vor dem die Stadt nicht kapitulieren dürfe. Andererseits dürfe man die Überwachung nicht übertreiben.

Die von Kuhn propagierte Verringerung der Autos im Talkessel um 20 Prozent ist auch im Entwurf – gemeint sind Autos mit konventionellem Antrieb. Elektroautos könne man herausrechnen, wenngleich sie zu Staus und Parkplatznot auch beitrügen, sagte Kuhn. Wenn sich die Feinstaubsituation nicht bessere, könnte die EU Stuttgart eine große Geldstrafe aufbrummen.

Radlern neue Angebote machen

Die Förderung des Umstiegs aufs Fahrrad unterstützte Kuhn vehement – samt Bekenntnis zu einem umstrittenen Radweg an der alten B 14 in Bad Cannstatt. Wenn sich was ändern solle, müsse man Radlern neue Angebote machen – und eine Durststrecke in Kauf nehmen, bis es angenommen werde.

Die Grünen reagierten positiv. Der alte Entwurf sei ein Mausoleum der Wünsche ohne praktische Folgen gewesen, sagte Michael Kienzle. Der neue Entwurf mit Aktionsplan könnte zumindest mal Grundlage einer Verkehrswende sein. Alexander Kotz sah einige Gemeinsamkeiten mit Kuhn. Die CDU wolle unideologisch vorgehen, aber an dem Papier noch arbeiten. Die Verkehrsteilnehmer dürften nicht bevormundet werden. Der öffentliche Raum müsse flexibel von verschiedenen Verkehrsmitteln nutzbar sein. Roswitha Blind (SPD) sagte, im neuen Entwurf sei der Stellenwert der Fußgänger dankenswerterweise enorm verbessert. Jürgen Zeeb (Freie Wähler) warnte vor ideologischen Gutmenschendebatten im weiteren Verlauf. Günter Stübel (FDP) war erfreut, dass die Citymaut vom Tisch sei. In der Frage, ob Autofahrer freiwillig oder durch politische Nachhilfe auf Busse und Bahnen umsteigen sollen, gebe es im Gemeinderat Gräben.