Ein schlechtes Halbjahreszeugnis können Schüler, selbst wenn sie wollen, wegen Corona kaum aufpolieren. Foto: dpa/Ina Fassbender

Die Wogen um die Entscheidung der Kultusministerin, grundsätzlich alle Schüler zu versetzen, gehen hoch. Philologen schlagen eine Freischussregelung vor. Die Ministerin hält ihren Kurs jedoch für richtig.

Stuttgart - Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) ruft mit ihrer Entscheidung, in diesem Sommer grundsätzlich alle Schüler zu versetzen, Kritiker auf den Plan. So meint Baden-Württembergs Philologenverband, in dem sich die Gymnasiallehrer organisieren: „Das eigentliche Problem wird damit nicht kuriert: das Problem der versäumten Lernzeit.“ Besser sei es, alle gymnasialen Klassenstufen zum nächsten Schuljahr auf das neunjährige Gymnasium (G 9) umzustellen – mit einer Wahlfreiheit für G 8.

Auch eine Freischussregelung bringen die Gymnasiallehrer ins Gespräch: Schüler oder Eltern könnten sich nach Rücksprache mit der Schule bei Problemen im ersten Halbjahr 2020/2021 für eine freiwillige Wiederholung des Corona-Schuljahres entscheiden, ohne dass dies als Sitzenbleiben zählt. Eisenmann verteidigte am Dienstag ihre Position. „Mir geht’s um Fairness und nicht darum, ob da jetzt der eine oder die andere durchrutscht.“ Wer sich nicht anstrenge, bleibe eben das nächste Mal sitzen. Da auch die Leistungsbewertungen künftig nur eingeschränkt möglich seien, würden alle Schüler grundsätzlich versetzt. Zeugnisse soll es aber geben. Eisenmann: „Wie wir das ausgestalten, daran arbeiten wir.“

SPD hält Sitzenbleiben ohnehin für „hoch umstritten“

Den Abschlussklassen will sie dadurch entgegenkommen, dass bis zur Prüfung keine Klassenarbeiten mehr geschrieben werden: „Es geht jetzt darum, Prüfungsinhalte zu vermitteln.“ Auch bei den Klassen des nächsten Prüfungsjahrgangs seien Klassenarbeiten nicht vordringlich.

Die Landtags-SPD hält es für konsequent, auf das Sitzenbleiben zu verzichten. „Wissenschaftlich ist der pädagogische Wert sowieso hoch umstritten“, sagte Stefan Fulst-Blei. Er schlägt ein landesweites Nachhilfeprogramm unter Einbindung der Volkshochschulen vor.

Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern hält es für angebracht, die Vesetzungsentscheidung bis zum Ende des nächsten Schulhalbjahrs auszusetzen. Kern: „Es ist keinem Schüler damit gedient, wenn er oder sie versetzt wird, ohne auf dem erforderlichen Lernstand zu sein.“