Die Bewohnerinnen des Frauenhauses finden nur schwer eine eigene Bleibe. Foto: dpa

Das Frauenhaus im Rems-Murr-Kreis muss Frauen ablehnen, weil die dort untergebrachten Bewohnerinnen keine neue Bleibe finden. Im vergangenen Jahr haben 57 Frauen keinen Platz in der Schutzeinrichtung bekommen.

Rems-Murr-Kreis - Ein Blick ins Internet, und Marianne Haug (Namen der Mitarbeiterinnen geändert) sieht, wie angespannt die Lage wieder einmal ist. In den etwa 30 gelisteten Frauenhäusern des Landes gibt es gerade einmal drei freie Plätze. Das Haus im Rems-Murr-Kreis gehört auch zu den Einrichtungen, die voll belegt sind. Zwölf Plätze stehen zur Verfügung – für fünf Frauen und ihre Kinder. Im vergangenen Jahr mussten die Mitarbeiterinnen 57 Frauen ablehnen, 35 von ihnen kamen aus dem Rems-Murr-Kreis. „Das tut einem dann oft arg leid. Wir versuchen zwar, die Situation mit Treffen und Gesprächen abzufedern und nach anderen Lösungen zu suchen. Aber manchmal wäre es einfach am besten, Frau und Kind könnten auf Abstand gehen. Und genau das können wir nicht anbieten“, sagt Kollegin Stefanie Maier.

2010 konnte noch doppelt so viele Frauen aufgenommen werden

Wenn sie in ihrem Statistikordner blättert, kann sie genau nachvollziehen, dass das nicht immer so war. Die Fluktuation in dem Frauenhaus des Deutschen Roten Kreuzes hat immer weiter abgenommen. Im Jahr 2010 haben noch doppelt so viele Frauen einen Platz bekommen. Das liegt aber mitnichten daran, dass weniger Betroffene die Dienste der Einrichtung in Anspruch nehmen möchten. „Die Zimmer werden länger blockiert, weil es keinen bezahlbaren angemessenen Wohnraum gibt“, sagt Maier. Die beiden Sozialarbeiterinnen wünschen sich ein Umdenken in den Kommunen. „Eine Wohnung ist etwas Existentielles, ein Teil der Identität. Ich habe schon erlebt, wie einer Frau beim Betreten der eigenen vier Wände die Tränen gekommen sind. Jetzt bin ich wieder wer, hat sie gesagt“, erzählt Marianne Haug.

Bei der schwierigen Wohnungssuche, aber auch bei vielen anderen Dingen helfen die Mitarbeiterinnen den Frauen, die den Weg zu ihnen finden. Meistens erfolgt der erste Kontakt über das Telefon, denn der Standort des Frauenhauses wird so gut es geht geheim gehalten. Die Frauen sind zwischen 18 und 80 Jahre alt, kommen aus allen Nationen und sozialen Schichten. Viele wenden sich von alleine an das Frauenhaus, manche werden von anderen Einrichtungen, Krankenhäusern oder der Polizei an die Einrichtung vermittelt.

Jede Frau bringt ein anderes Schicksal mit, gemeinsam ist ihnen, dass sie gerade in einer extrem zugespitzten Konfliktsituation mit ihrem Partner stecken. „Es wäre natürlich schön, die Frauen würden schon früher Hilfe suchen. Aber die meisten hoffen sehr lange, dass es besser wird“, sagt Stefanie Maier, die seit mehr als 20 Jahren im Frauenhaus arbeitet. In den meisten Fällen wird in der Beziehung Gewalt ausgeübt, in all ihren Formen. „Das klassische blaue Auge ist seltener geworden, aber oft gibt es eine Vielzahl an Demütigungen.“

Keine luxuriösen Bedingungen

Vor den Frauen liegt ein schwerer Weg, „und wer sich nur halbherzig dafür entscheidet oder sich überreden lässt, der ist oft schnell wieder weg“, sagt Marianne Haug und erzählt von einer Frau, die es gerade einmal zwei Stunden in der Einrichtung ausgehalten hat. Manche bleiben einen Tag, andere 13 Monate. Luxuriös darf man sich die Umstände nicht vorstellen. In den Zimmern steht ein Bett, ein Schrank, ein Tisch. Bad und Klo teilen sich immer mehrere Frauen. „Man weiß ja vielleicht noch aus WG-Zeiten, was es da für Konflikte geben kann, und da hat man diese Wohnform freiwillig gewählt“, sagt Maier.

So geht es auch im Frauenhaus nicht immer harmonisch zu. „Aber oft ist es ganz erstaunlich, was für eine Solidarität es zwischen den Frauen gibt. Da wird für den Neuzugang erst einmal eine Suppe gekocht und dann dürfen ruhig auch einmal die Tränen fließen.“

Mit jeder Frau wird beim Einzug ein Vertrag geschlossen. Schwer psychisch kranke Menschen können genauso wenig aufgenommen werden wie Drogen- oder Alkoholabhängige, die nicht bereit sind, an ihrer Sucht zu arbeiten. „Die Frauen leben hier eigenverantwortlich, wir sind nicht jeden Tag 24 Stunden lang da.“

Trotzdem versuchen die Mitarbeiterinnen erst einmal, den Frauen möglichst vieles abzunehmen, damit diese sich erholen können: Etwa das Ausfüllen von Anträgen oder dabei, den Umgang mit den Vätern der Kinder zu regeln. Und nach einigen Wochen geht es dann darum, die Frauen Stück für Stück wieder mehr zu belasten. Am Ende steht dann der Auszug – im Idealfall in eine eigene Wohnung. Viele schaffen es, manche ziehen in andere Einrichtungen oder wieder zurück zum Partner. „Man kann sich wirklich kaum vorstellen, wie schwierig der Punkt Wohnung ist. Diese sollte nicht nur bezahlbar, sondern auch noch in der Nähe der Schule und in der Nähe der Arbeitsstätte liegen“, sagt Stefanie Maier. „Das ist total eng.“