Das Finanzministerium will der Operndiva keine Bühne bieten. Am 22. Juli startet die Russin in Regensburg ihre Deutschlandtour, die nicht auf den Schlossplatz führen darf. Wird dies ein Fall für die Gerichte?
Die Star-Sopranistin, die einst vom Kreml hofiert worden ist und sich nach heftiger Kritik vom Krieg in der Ukraine distanziert hat, will nach monatelanger Auszeit in diesem Sommer ihre Karriere mit Live-Auftritten fortsetzen. Die Deutsche Entertainment AG hat eine Tour mit Anna Netrebko und Yusif Eyvazov von den Regensburger Schlossfestspielen bei Gloria von Thurn und Taxis (22. Juli) über Köln (29. August), Hamburg (7. September) bis Frankfurt (28. Januar 2023) angekündigt. Stuttgart steht am 3. September auf dem Konzertplan. Der Schlossplatz mit einer Kapazität für 4000 Sitzplätze ist laut Vorverkaufsstellen zu 97 Prozent ausgebucht. Die Karten, die es noch gibt, kosten zwischen 173 und 191 Euro Eintritt. Doch aus dem Gastspiel der gebürtigen Russin im Ehrenhof des Neuen Schlosses, wo in Kürze die Jazz Open starten, wird nichts.
Die schriftliche Absage ist auf dem Weg
Während der Diva in anderen Städten ein Comeback gewährt wird, bleibt das Land Baden-Württemberg hart. Sebastian Engelmann, der Sprecher von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), hat unserer Zeitung bestätigt, dass der Ehrenhof, der sich im Besitz des Landes befindet, nicht für Anna Netrebko zur Verfügung steht. Dies habe das Ministerium dem Veranstalter Christian Doll bereits am 15. Juni telefonisch mitgeteilt. Die schriftliche Benachrichtigung sei auf dem Weg.
Warum es beim Nein für den Opernstar bleibt, erklärt Engelmann auf unsere Anfrage so: „Der russische Angriffskrieg geht mit unverminderter Brutalität weiter, ein Ende ist leider nicht absehbar. Frau Netrebko ist auch durch ihr eigenes Verhalten zu einem Aushängeschild von Putins Regime geworden. Insofern ist es für uns nur schwer vorstellbar, dass sie im Ehrenhof des Neuen Schlosses auftritt, während weiter der Krieg in der Ukraine tobt.“
„Halbherzige Distanzierungen reichen nicht aus“
Bereits im März hatte Bayaz als Hausherr des Neuen Schlosses die Sängerin aufgefordert, sich „glaubwürdig“ von Putin zu distanzieren. Nur wenn sie „mit dem brutalen Kriegstreiber bricht“, könne sie am 3. September auf dem Schlossplatz auftreten. „Halbherzige Distanzierungen reichen nicht aus“, erklärte der Grüne. Zwar hatte sich Anna Netrebko nach der heftigen Kritik an ihrem Schweigen öffentlich gegen den Krieg ausgesprochen, aber nicht gegen Putin. In ihrem Statement hieß es damals: „Ich bin gegen diesen Krieg. Ich bin Russin, und ich liebe mein Land, aber ich habe viele Freunde in der Ukraine, und der Schmerz und das Leiden brechen mir momentan das Herz. Ich möchte, dass dieser Krieg endet und die Menschen in Frieden leben können. Darauf hoffe ich und dafür bete ich.“ Im Juni erklärte die Sängerin dann im Interview mit der „Zeit“, sich wolle „gegen jegliche Russophobie ankämpfen“, indem sie auf auf den Bühnen auch russisches Repertoire singe.
In der Metropolitan Opera darf sie auch nicht singen
„Ich bin natürlich gegen diese schreckliche Gewalt“, sagte sie der Wochenzeitung. Gegen den russischen Präsidenten könne sie sich aber nicht stellen. „Niemand in Russland kann das“, so wurde sie in der „Zeit“ zitiert, „Putin ist immer noch der Präsident Russlands.“ Sie sei „noch immer eine russische Staatsbürgerin“, da könne man „so etwas“ nicht machen, erklärte Anna Netrebko.
Dem Finanzminister Bayaz reicht diese Erklärung offensichtlich nicht aus – und er orientiert sich damit an der weltberühmten Metropolitan Opera in New York. Bis Februar, bis zum Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, war die Sopranistin in der Kulturmetropole der USA ein gern gesehener Gast. Ende April hätte sie in der Met als „Turandot“ auftreten sollen. Doch Intendant Peter Gelb kündigte auch dieses Engagement. Nun soll Netrebko erwägen, schreiben die „New York Times“, das Opernhaus auf 350 000 Dollar Schadensersatz zu verklagen.
Einschätzungen von Juristen werden eingeholt
Muss auch das Land Baden-Württemberg mit einer Millionenklage rechnen, wenn der bereits vor Jahren vereinbarte Spielort des Schlossplatzes verwehrt wird? Christian Doll, der Geschäftsführer von C2 Concerts, und Peter Schwenkow, der Kopf der Deutschen Entertainment AG, lehnten es am Donnerstag unisono ab, sich öffentlich zu einem möglichen Rechtsstreit mit dem Land zu äußern. Es geht dabei um sehr viel Geld.
Hinter den Kulissen werden nun wohl erst mal die Einschätzungen von Juristen eingeholt, ehe sich die Veranstalter zu einer möglichen Absage oder der Verlegung des Konzerts weg von einem landeseigenen auf ein privates oder ein städtisches Gelände erklären. Die Tourplaner hatten wohl gehofft, dass sich der mediale Gegenwind, der im März tobte, bis September legt, wenn die meisten deutschen Gastspiele der Konzertreise von Anna Netrebko anstehen.
Es gebe keinen schriftlichen Vertrag
Muss sich das Finanzministerium nicht an Verträge halten? Oder gibt es darin eine Ausstiegsklausel für den Fall von ausbleibenden Distanzierungen zu Präsidenten? Bayaz-Sprecher Sebastian Engelmann sieht einer juristischen Auseinandersetzung gelassen entgegen. „Es gab keinen schriftlichen Vertrag, sondern nur eine mündliche Zusage, dass der Ehrenhof für den 3. September reserviert wird für ein Konzert von Herrn Doll“, erklärt er. Ein Konzert könnte dieser auch weiterhin auf dem Schlossplatz veranstalten – nur eben nicht mit Anna Netrebko.