Angela Merkel und Viktor Orban pflegen ein Arbeitsverhältnis. Foto: AP/Frank Augstein

Die christdemokratische Parteienfamilie vertagt den Rauswurf von Viktor Orbans Fidesz-Partei.

Straßburg - Die christdemokratische Parteienfamilie schiebt die Entscheidung über den Rauswurf des ungarischen Populisten Viktor Orban und seiner Fidesz-Partei aus der Europäischen Volkspartei (EVP) auf die lange Bank. Nach Informationen unserer Zeitung hat die Parteispitze um Joseph Daul beschlossen, dass beim Parteikongress der EVP Ende November in Zagreb nicht über die Sache entschieden wird. Im Europa-Wahlkampf war der Fidesz auf Betreiben von EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) aus der Parteienfamilie suspendiert worden und unter Bewährungsauflagen gestellt worden. Bis Oktober sollten „drei Weise“ unter der Führung des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy ihren Report zur Frage vorlegen, ob der Fidesz mit seiner Politik noch mit den Prinzipien des Rechtsstaates vereinbar ist. Dieser Report wird nun zurückgehalten.

Orban ätzt gerne gegen die EU

Weber hatte zwei Monate vor den Europa-Wahlen im Mai die Suspendierung durchgesetzt. Damals setzte er sich deutlich von Orban ab: „In der EVP gibt es keinen Rabatt in Grundrechtsfragen.“ Sozialdemokraten und Grüne hatten eine Distanzierung von Orban zur Bedingung gemacht für Gespräche über eine Zusammenarbeit mit der EVP nach der Wahl.

Viktor Orban wird vorgeworfen, dass seine Regierungspolitik die Unabhängigkeit von Justiz, Wissenschaft und Medien untergräbt. Außerdem gibt es in seinem familiären Umfeld Hinweise auf Veruntreuung von EU-Mitteln. Orban versteigt sich zudem immer wieder zu ätzender Anti-EU-Rhetorik, wenn er etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als „Sozialisten erster Güte“ verunglimpft und die Bürger auffordert, die EU-Führung davon zu jagen.

Auch in der EVP rumort es

EVP-intern stößt die Entscheidung, den Report der „drei Weisen“ zu unterdrücken, auf deutliche Kritik. Die Aachener Europa-Abgeordnete Sabine Verheyen sagt: „Ich würde mich freuen, endlich eine Klarstellung innerhalb der EVP zu bekommen, wie wir in Zukunft mit dem Fidesz umgehen wollen.“ Hinter vorgehaltener Hand machen vor allem EVP-Politiker aus Polen, Luxemburg und den Niederlanden ihrem Ärger Luft. Auch beim politischen Gegner der Christdemokraten kommt die Entscheidung nicht gut an. Sven Giegold, Chef der deutschen Grünen-Abgeordneten im Europa-Parlament, sagt: „Die Christdemokraten bekommen Angst vor der eigenen Courage.“ Anstatt sich deutlich für den Ausschluss des Fidesz zu entscheiden, hofften sie, mit „Schweigetaktik“ davonzukommen. Der Chef der deutschen SPD-Abgeordneten, Jens Geier, zählt die Vorwürfe gegen Orban und seine Partei auf und sagt dann: „Ich finde, eine solche Politik passt nicht zur europäischen christdemokratischen Bewegung. Die EVP sollte endlich einen klaren Trennungsstrich ziehen.“