Foto: dpa

Höhere Bußgelder, bessere Kontrollen und bürgerschaftliches Engagement sollen helfen.

Stuttgart - Die Frage, ob er die „Let’s putz“-Aktion, wie er sie zu Beginn seiner Amtszeit vor 15 Jahren ins Leben gerufen hat, wiederholen würde, lässt Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) unbeantwortet. Doch er sagt: „Stuttgart bleibt eine der saubersten Großstädte, wenn die Bürger anpacken.“ Gerne verweist er auf den Erfolg der Aktion, die der Landeshauptstadt keineswegs nur Spott eingebracht habe: „25.000 Stuttgarter haben bislang mitgemacht. Düsseldorf, Hamburg oder München haben das Konzept übernommen.“

 

Der Spott hat sich mittlerweile nicht nur gelegt, sondern ist verhaltenem Lob gewichen. Straßenreiniger Daniel Okonne, der im Interview mit unserer Zeitung sagte, die Aktion war gut und solle wiederholt werden, spricht vielen aus der Seele. „Es freut mich, dass ein Mann, der an der Müllfront steht, das so sieht. Die Aktion war wirkungsvoll. Das Müllproblem können die Reinigungskräfte nicht im Alleingang lösen“, sagt Beate Bulle-Schmid. Die CDU-Stadträtin hat beantragt, die Verwaltung solle prüfen, wie die Bürger für das Thema Sauberkeit in der Stadt sensibilisiert werden könnten. „Denkbar sind Werbekampagnen mit Plakatierung oder Flyer in den Briefkästen.“

Auch SPD-Fraktionsvorsitzende Roswitha Blind, die zugibt, die „Let’s putz“-Aktion einst belächelt zu haben, räumt ein, man könne sie in anderer Form wiederaufleben lassen. So könnten etwa Fußballspieler des VfB Stuttgart zusammen mit Fans in einer gemeinsamen Aktion Müll einsammeln. Das wäre für Blind eine Aktion, an der Müllverursacher direkt beteiligt wären. Das müsse doch zu einer Bewusstseinsänderung führen. Stadtrat Jürgen Pätzold (Grüne) hält jedoch nichts von Großaktionen. Er will erreichen, dass die Bürger vor der eigenen Tür kehren: „Tun sich die Nachbarn überall zusammen und räumen auf, ist mehr bewirkt.“

„Es muss am Geldbeutel wehtun“

Der Vorschlag Okonnes, die Bußgelder raufzusetzen, stößt bei CDU und SPD ebenfalls auf offene Ohren. „Es muss am Geldbeutel wehtun“, sagt Bulle-Schmid. Blind sieht es ähnlich: „Nur wenn es teuer ist und die Übeltäter häufig erwischt werden, bringt sie das zur Einsicht.“

Die Bußgelder für achtlos auf der Straße weggeworfene Tüten, Kartons, Flaschen sowie für im öffentlichen Abfalleimer entsorgten Hausmüll liegen zwischen 10 und 500 Euro – je nach Menge. Laut Hans-Jörg Longin vom Ordnungsamt kann der Gemeinderat die Bußgelder nicht anheben, da der Bußgeldkatalog Umweltschutz, der für die Müllsünder maßgeblich ist, auf der Rechtsgrundlage des Abfallbeseitigungsgesetzes basiert und damit Landessache ist. Allerdings kann der Gemeinderat darauf pochen, dass die Mitarbeiter im Vollzugsdienst den Rahmen ihres Spielraums ausschöpfen. Das dürfe aber „nie willkürlich sein“.

„Eine flächendeckende Kontrolle ist nicht mit ein paar Leuten zu machen“

Ordnungsbürgermeister Martin Schairer ist skeptisch, dass durch eine Erhöhung der Bußgelder die Müllberge verschwinden. „Eine flächendeckende Kontrolle ist nicht mit ein paar Leuten zu machen“, sagt er. Mit ein „paar Leuten“ meint er die 58 Vollzugsbeamte des Amts für öffentliche Ordnung. Diese haben in Stuttgart – anders als zum Beispiel 140 dafür in Düsseldorf zuständige Mitarbeiter – nicht nur kommunale, sondern auch polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen und könnten diesen schon jetzt kaum noch nachkommen. „Außerdem müssen die Müllsünder auf frischer Tat ertappt werden. Und wer lässt schon was fallen, wenn eine Uniform zu sehen ist?“, gibt Schairers persönlicher Referent, Hermann Karpf, zu bedenken. In Zivilkleidung auf Streife gehen dürfen die Mitarbeiter des Vollzugsdienstes nicht. „Sie müssen als Hoheitsträger erkennbar sein“, sagt Longin.

Man müsse im Elternhaus, in den Kitas und Schulen ansetzen, das hält Günter Siebers, persönlicher Referent des für die Abfallwirtschaft zuständigen Bürgermeisters Dirk Thürnau, für wichtig: „Vor allem, weil sich mehr junge als ältere Leute als Müllsünder ausmachen lassen.“ Dass Orte mit vielen Kinos, Clubs oder Discotheken extrem vermüllt sind, wie Straßenreiniger Daniel Okonne feststellt, hängt nach Angaben von Inhabern und Betreibern mit der hohen Passantenfrequenz zusammen. „Wir reinigen draußen jeden Morgen und wurden von der Stadt dazu verpflichtet“, sagt Lutz Metzger vom Suite 212.