Der VW-Skandal, der Straßenverkehr, der Rechtsruck in der Gesellschaft: Die Themen der Podiumsdiskussion im Königin-Charlotte-Gymnasium waren vielfältig. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann stellte sich den Fragen der Schüler.
Möhringen - Der Skandal um die gefälschten Abgaswerte des Autobauers VW hatte es den Schülern besonders angetan. Immer wieder kamen sie bei ihren Fragen an Winfried Hermann (Grüne) darauf zurück. Der baden-württembergische Verkehrsminister nahm am Donnerstag im Königin-Charlotte-Gymnasium (KCG) an einer Podiumsdiskussion teil. Zuvor übergaben der Industrieverband Steine und Erden und die Firma Schwenk Zement einen sogenannten Geo-Koffer an die Schule. Dieser enthält Gesteine, die im Land abgebaut werden, sowie Unterrichtsmaterial.
Zum Einstieg fragten die Schüler den Minister, welche Infrastrukturmaßnahmen er umgesetzt habe. Hermann antwortete, dass die grün-rote Landesregierung es bei ihrem Start mit einem Sanierungsstau zu tun gehabt habe. Man habe wohl nicht von den Grünen erwartet, dass diese Straßen bauten. „Deren Erneuerung ist eine große Herausforderung und eine Aufgabe der Nachhaltigkeit.“
Feinstaub zu reduzieren, ist die zentrale Aufgabe
Ein Schüler fragte: „Wie umweltfreundlich schätzen Sie unser Verkehrssystem ein?“ Die deutliche Antwort des Ministers: „Gar nicht umweltfreundlich.“ Die Autos hätten überwiegend Verbrennungsmotoren und stießen zu viel Feinstaub aus. Diesen zu reduzieren, sei eine zentrale Aufgabe. „Wer das Klima schützen will, muss mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß, dem Rad oder mit Fahrzeugen neuer Technologie unterwegs sein.“
Warum man den öffentlichen Nahverkehr dann nicht mehr subventioniere, wollte eine Schülerin wissen. „Mit der Bahn ist es oft teurer als mit dem Auto.“ Das sei ein Trugschluss, so der Minister. Wenn man Anschaffungs-, Versicherungs- und Verschleißkosten mit berechne, sei das Auto teurer. Er werbe dafür, in den ÖPNV zu investieren und diesen besser zu machen: etwa durch engere Takte und W-Lan.
Zum Thema VW-Skandal wollten die Schüler wissen, ob Hermann mit dauerhaftem Schaden für die Branche rechne, ob es nun mehr Kontrollen gebe und was er dafür tue, um so etwas künftig zu verhindern. „Wir waren alarmiert, dass sich das massiv durchschlägt bis hin zu größerer Arbeitslosigkeit, ja“, sagte Hermann. Die Politik müsse darauf achten, dass so etwas künftig besser überprüft werde, dafür habe er sich im Bundesrat eingesetzt. Die Messmethode, nach der die Hersteller ihre Werte ermittelten, werde geändert, so der Minister.
Den Stau intelligent vermeiden
„Wie müsste Ihrer Meinung nach eine Pkw-Maut aussehen?“, fragte ein Schüler. Da man sich in der Koalition auf ein Nein zur Maut geeinigt habe, sei dies seine persönliche Meinung, schob Hermann voraus. „Perspektivisch ergibt eine Pkw-Maut Sinn. Sie müsste einen ökologischen sowie einen Lenkungseffekt haben.“ So könnte es beispielsweise auf viel befahrenen Strecken teurer sein als auf anderen – oder zu bestimmten Zeiten. „So könnte Stau intelligent vermieden werden.“ Wie es mit dem Datenschutz bei der Maut-Erfassung aussehe, wollte ein Schüler wissen. „Es ist ein Irrtum zu denken, es gäbe noch keine Datenerfassung. Es geht darum, wie kann man die Daten schützen und trotzdem sinnvoll nutzen“, sagte Hermann.
Auch um das Bauprojekt Stuttgart 21 drehte sich die Diskussion. Die Schüler interessierten sich für die Frage, warum die Bürger erst so spät beteiligt worden sind. Er habe sich früh damit beschäftigt und auf Fehler und Risiken hingewiesen, habe aber keine öffentliche Resonanz gefunden, sagte der Minister. Nun müsse er damit leben, dass es umgesetzt werde. „Das Wesen der Demokratie ist es zu akzeptieren, dass Mehrheitsentscheide fallen.“
Beim Thema Einfluss durch Lobby-Gruppen auf die Politik sprach Hermann sich dafür aus, die Verantwortung für das Ganze zu sehen. „Eine gute Politik ist am Gemeinwohl orientiert und nicht am Interesse Einzelner.“ Ein Schüler wollte wissen, ob Hermann im durch die Flüchtlingskrise verursachten Rechtsruck der Gesellschaft eine Gefahr sehe. „Ich sehe mit großem Bedauern und Erschrockenheit, dass sich so ein mieses und fieses Gedankengut breit machen kann“, sagte der Minister. Er rief die Schüler dazu auf, zur Landtagswahl zu gehen und sich zu engagieren. „Seid aktive Staatsbürger und gestaltet, sonst werdet ihr von anderen gestaltet.“