Die Perserkatze Eleonore wurde in einem Gartenhäuschen fast verhungert aufgefunden Foto: Jan Reich

Die Sommerferien haben begonnen – und das Stuttgarter Tierheim platzt aus den Nähten. Damit, dass Urlauber ihre Tiere aussetzen, hat die Überbelegung laut Tierheimleiterin Marion Wünn nichts zu tun. Allerdings werden im Sommer kaum Tiere vermittelt.

Stuttgart - „Immer dem Gebell nach“, begrüßt Marion Wünn Besucher im Tierheim in Botnang. Denn an den Hundeboxen müssen alle vorbei – egal ob sie Katze, Hamster oder Hängebauchschwein ein neues Heim geben möchten. „Mancher Besucher will eine Katze und kommt kaum am Hundehaus vorbei“, sagt Wünn. Kein Wunder, wenn man in die treuen Augen der Bewohner blickt.

Hier geht's zu unserer Multimedia-Reportage "Heimtiere in Not"

Tierheim

In den drei Hundehäusern sind derzeit gut 100 Hunde untergebracht. In ihren Boxen warten sie einzeln oder in Gruppen auf ein neues Herrchen oder Frauchen. Sich für einen zu entscheiden fällt mehr als schwer. „Viele unserer Bewohner haben Schlimmes hinter sich“, sagt Wünn. Da ist zum Beispiel Tommy, ein acht Jahre alter Schäferhund-Mischling mit neugierigem Blick. Er musste seinem Besitzer weggenommen werden, weil der sich nicht um ihn gekümmert und ihn zum Gassigehen trotz mehrfacher Verwarnung regelmäßig allein auf die Straße geschickt hat. Oder Angus, ein traurig blickender Jagdhund. Ihn haben Tierschützer in Südeuropa im letzten Augenblick gerettet. Er war schon in einer Tötungsstation. Dort kommen in Südeuropa die herrenlosen Tiere hin, die drei Wochen im Tierheim waren und die in dieser Zeit keiner haben wollte.

Statt zum Tierarzt ins Tierheim.

Die Schicksale in dem mit 90 Tieren belegten Katzenhaus sind nicht weniger dramatisch: Da ist die bildschöne langhaarige Gozilla, die ihrem Besitzer zugelaufen war. Der wollte sie nach einem Jahr nicht mehr, weil sie sich angeblich nicht mit dessen anderer Katze verstand. Und von der zwölf Jahre alten Frieda Flieder haben sich die Besitzer getrennt, weil sie unsauber wurde. Wünn: „Sie hätten mit Frieda nur zum Tierarzt gehen müssen. Wir haben das getan. Und der Arzt hat festgestellt, dass sie eine Blasenentzündung hat.“ Die ist behoben – und Frieda Flieder wieder stubenrein.

Unter den über 400 sogenannten Kleintieren gibt es Hähne, die Tierfreunde vor dem Schlachter gerettet haben, oder Hamster, die die Kinder, für die sie bestimmt waren, nicht mehr haben wollten. Bei den Huftieren warten unter anderem Hängebauchschweine auf ein neues Zuhause. Und unter den 50 Reptilien sind Schildkröten, die von ihren Besitzern weggeworfen wurden.

„Seit den Sommermonaten haben wir ein Drittel mehr Bewohner als sonst“, stellt Tierheimleiterin Wünn fest. Ein Grund ist, dass im Winter und Frühjahr geborener ungewollter Nachwuchs jetzt oft samt Müttern ausgesetzt wird. Ein Schicksal, das Katzenmutter Benita und ihre Babys mit den Husky-Welpen Welv und Winja teilen. „Außerdem läuft die Vermittlung von Juni bis September schleppend, weil die Leute wissen, dass sie in Urlaub fahren “, sagt Wünn.

Ferienplätze sind rar

Im Sommer häufen sich in Botnang auch die Anfragen nach Ferienplätzen für Tiere. Allerdings sind die rar. Das Tierheim nimmt nur fünf Hunde auf. Katzen haben gar keine Chance. „Wir brauchen den Platz ja für unsere herrenlose Tiere“, so Wünn. Aber sie und ihre Mitarbeiter können mit Adressen von Tierpensionen oder Privatleuten weiterhelfen, die ein Tier auf Gegenseitigkeitsbasis oder aber gegen Geld bei sich aufnehmen. „Vielen fällt allerdings viel zu spät ein, dass ihr Liebling während des Urlaubs versorgt werden muss, und dann wird es oft eng“, sagt Wünn und rät allen Tierhaltern, sich rechtzeitig um einen Platz zu kümmern. Erst vor kurzem wurde sie von einer Hundebesitzerin angerufen, die dringend am gleichen Tag einen Platz für ihren Pudel brauchte, da sie am nächsten Tag wegfliegen wollte. „Das klappt dann oft nicht“, so die Erfahrung.

Durchschnittlich werden 150 Tiere pro Monat bei den Tierschützern in Botnang abgegeben. Von den insgesamt 1800 Tieren, die im vergangenen Jahr eingeliefert worden sind, haben 1600 ein neues Zuhause gefunden. „Das sind etwa 90 Prozent, und wir könnten noch mehr Tiere vermitteln. Aber wir gucken uns das neue Umfeld unserer Schützlinge sehr genau an“, sagt Wünn und weiß, dass ihr das häufig vorgeworfen wird. Die strengen Kontrollen sollen möglichst verhindern, dass vermittelte Tiere wieder zurückgebracht werden. „So etwas ist für das betroffene Tier sehr bitter“, weiß Wünn und beziffert die Rückläufe in Botnang auf etwa fünf Prozent. „Vor kurzem habe ich einen Hund nicht vermittelt, weil die künftige Besitzerin eingeräumt hat, kein Geld für einen Tierarzt ausgeben zu können. Eine andere Frau wollte einen Schäferhund, wohnt aber im 5. Stock. Da Schäferhunde oft Hüftprobleme haben, schafft der irgendwann die Treppen nicht mehr. Und ein so schweres Tier fünf Etagen hochzuschleppen – das geht nicht“, stellt die Tierheimleiterin fest.

Vermitteln lassen sich ihrer Erfahrung nach fast alle Tiere. Alter und Handicaps wie ein fehlendes Auge oder Beinchen spielten keine Rolle. Mit einer Ausnahme: Aggressive Hunde finden nur schwer ein neues Heim. Wünn: „Da braucht es erfahrene Halter.“

Spendenhotline Stuttgarter Tierheim: 09 00 - 1 44 33 66. Pro Anruf gehen 5 Euro ans Tierheim. Oder: BW-Bank – Konto-Nr. 2920157, BLZ 600 501 01