Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Foto: dpa

Seit Montag kauft die Europäische Zentralbank Staatsanleihen der Euro-Staaten in großem Stil. Doch das beispiellose Programm startet offenbar nur zögerlich. Geldinstitute wie die DZ Bank haben wenig Interesse am Verkauf von Staatsanleihen.

Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Euro-Notenbank starten das Billionen-Programm zum Kauf von Staatsanleihen der Euro-Staaten offenbar nur zögerlich. Noch gebe es keine Käufe, sagte ein Sprecher der Notenbank am Mittwoch. „Die EZB ist unterwegs. Anfragen sind da“, betonte auch Wolfgang Kirsch, Vorstandschef der DZ Bank, am Mittwoch.

Wie bei anderen deutschen Großbanken auch ist beim Zentralinstitut der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken das Interesse am Verkauf von Bundesanleihen an die Notenbank sehr begrenzt. „Ich sehe keine Veranlassung, dass unser Haus etwas abgeben sollte. Wir sind da sehr zurückhaltend“, sagt Kirsch. Die DZ Bank habe weder Eigenkapital- noch Liquiditätsengpässe. Im Gegenteil: 2014 hat sie ihre Kreditvergabe an den Mittelstand ausgeweitet und vor Steuern knapp 2,9 Milliarden Euro verdient, 29 Prozent mehr als 2013. Netto waren es sogar 47 Prozent mehr und damit fast 2,2 Milliarden Euro – rund eine halbe Milliarde mehr als bei der Deutschen Bank.

"Stellen unsere Bank nicht als Durchlauferhitzer zur Verfügung"

Kirsch betrachtet das Anleihe-Programm der EZB ohnehin kritisch. Er befürchtet sogar, dass die Notenbank die Banken benutzt, um über diesen Umweg direkt Staatsanleihen zu kaufen, was ihr verboten ist. „Wir stellen unsere Bank nicht sozusagen als Durchlauferhitzer zur Verfügung.“ Die Geldspritzen der EZB könnten zwar kurzfristig die Konjunktur stimulieren. Diese Strategie berge aber Risiken, gerade für die Finanzbranche.

„Dauerhaft niedrige Zinsen stehen auskömmlichen Erträgen und damit dem weiteren Kapitalaufbau bei Banken entgegen. Auch die Gefahr von Preisblasen an den Finanzmärkten nimmt zu“, so Kirsch. Er rechnet damit, dass vor allem Banken in den Krisenländern Südeuropas Staatsanleihen an die EZB verkaufen.

Sie will seit März bis mindestens September 2016 jeden Monat für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen, Pfandbriefe und Kreditverbriefungen kaufen, insgesamt für 1,14 Billionen Euro.

Einer Analyse der BayernLB zufolge wird die EZB generell Schwierigkeiten haben, über Käufe quasi jeden Monat 60 Milliarden Euro frisch zu drucken und über Banken in die Wirtschaft zu pumpen. In vielen Ländern und bei verschiedenen Laufzeiten – die EZB kauft Anleihen, die für zwei bis 30 Jahre aufgelegt werden – sei das Volumen der 2015 geplanten Neuemissionen geringer als die Summe der von der EZB geplanten Käufe, rechnet Chef-Volkswirt Jürgen Michels vor.

Für die DZ Bank selbst spielt die noch großzügigere Geldpolitik der EZB in diesem Jahr keine zentrale Rolle. Allerdings wird das Ergebnis des Instituts, Muttergesellschaft unter anderem auch der Bausparkasse Schwäbisch Hall, der Fondsgesellschaft Union Investment und der R+V Versicherung, 2015 deutlich niedriger ausfallen.

Kirsch rechnet nur noch mit etwa 1,5 Milliarden Euro, unter anderem wegen einer wieder steigenden Risikovorsorge für wackelige Kredite und deutlich höherer Aufwendungen für die strengere Regulierung. Sie sollen bei rund 300 Millionen Euro liegen. Allein 150 Millionen entfallen Kirsch zufolge auf die Bankenabgabe. 2014 mussten dafür nur 27 Millionen Euro gezahlt werden. Auch das instabile Umfeld mit der Krise in der Ukraine und in Russland sowie den Problemen in Griechenland könnten das Ergebnis belasten.

Beobachter warten mit Spannung

Was die Europäische Zentralbank (EZB) seit Montag macht, ist der weitreichendste geldpolitische Schritt in der gut 15-jährigen Geschichte der Währungsunion. Damit sollen vor allem der Abwärtstrend bei der Inflation gestoppt – im Januar war sie in der Euro-Zone mit minus 0,6 Prozent negativ, die EZB strebt knapp zwei Prozent an – und Deflationsgefahren gebannt werden. Und die Banken sollen wieder mehr Kredite vergeben, so die Wirtschaftsflaute und Arbeitslosigkeit bekämpfen.

EZB-Beobachter sind gespannt, ob eine bislang in der Euro-Zone so drastisch nie angewandte Medizin wirkt. Und ob sie überhaupt in der von EZB-Präsident Mario Draghi und der Mehrheit des EZB-Rates gewünschten Dosis eingesetzt werden kann. Gekauft werden die Anleihen gemäß dem Anteil der Euro-Staaten am Kapital der EZB. Damit geht es vor allem um Bundesanleihen und um französische und italienische Papiere. Diese drei Länder halten die größten Quoten an der EZB. Gekauft werden Papiere mit einer Laufzeit liegt zwischen zwei und 30 Jahren, auch von staatlichen Institutionen wie etwa Förderbanken.

Erst ab Juli soll der Kauf von griechischen Anleihen möglich sein. Generell gilt: Die EZB darf nicht mehr als ein Drittel der umlaufenden Anleihen eines Landes halten. Nur für 20 Prozent der Papiere haften die Euro-Staaten gemeinsam, sonst liegt das Risiko bei den nationalen Notenbanken. Sie nehmen im Auftrag der EZB jeweils nur Anleihen des eigenen Staates herein.

Da die EZB keine neuen Staatsanleihen kaufen darf, ist sie auf Verkäufe von Banken, Versicherungen und Fonds angewiesen. Die sollen jeden Monat allein Bundesanleihen im Volumen von zehn Milliarden Euro abstoßen. Sie dürften aber nur widerwillig verkaufen. Schließlich sind die Papiere meist noch gut verzinst. Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain, Commerzbank-Chef Martin Blessing und Roland Boekhout, Chef der ING Diba, haben bereits angekündigt, dass sie nicht an den Verkauf denken. Nicht anders ist es bei Versicherungen, Pensionskassen und Fonds. Zudem halten Nicht-Euro-Notenbanken große Bestände an Bundesanleihen als Devisenreserve. Die stehen nicht zur Disposition. „Beim Kauf von Bundesanleihen könnte es Probleme geben“, glaubt Jens Wilhelm, Kapitalmarkt-Vorstand der Fondsgesellschaft Union Investment.

Tammo Diemer winkt ab. Jeden Monat würden Bundesanleihen im Volumen von 400 bis 500 Milliarden Euro gehandelt. Da seien zehn Milliarden für die EZB ein geringer Teil, sagt der Geschäftsführer der Finanzagentur des Bundes. Sie ist für die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement des Bundes zuständig.

Bei Staatsanleihen anderer Euro-Länder dürfte es unproblematisch sein. Zumal bei Banken in den Krisenländern, die so zusätzliche Liquidität erhalten. Was aber nicht unbedingt die Kreditvergabe beflügelt. Sie könnten Aktien oder wieder Staatsanleihen kaufen. „Dann wäre der Effekt gleich null“, sagt Luc Coene, Chef der belgischen Notenbank. Insgesamt befinden sich im Euro-Raum Staatsanleihen im Volumen von knapp sechs Billionen Euro im Umlauf, 1,1 Billionen Bundesanleihen, 1,3 Billionen französische und 1,6 Billionen italienische Staatsanleihen. Mehr als 80 Prozent werden von Banken, Zentralbanken, Versicherungen und Pensionskassen gehalten.