Kardinal betritt am 26. Februar das Gericht in Melbourne zur Urteilsverkündung. Foto: AP

Nur wenige Tage nach seinem ersten Gipfel zum Thema Missbrauch muss der Vatikan einen schweren Schlag hinnehmen. Mit Kardinal Pell wird dem bisher ranghöchsten katholischen Geistlichen Kindesmissbrauch zur Last gelegt. Nun wird bekannt: Eine Jury befand ihn für schuldig.

Melbourne - Der australische Kardinal George Pell ist von einem Geschworenengericht des Kindesmissbrauchs für schuldig befunden worden. Eine zwölfköpfige Jury in Melbourne sah es als erwiesen an, dass sich der heute 77-Jährige Mitte der 1990er Jahre an zwei Jungen vergangen habe. Der Schuldspruch erging zwar schon am 11. Dezember, doch hatte bis Dienstag eine Nachrichtensperre gegolten. Pell ist der bisher ranghöchste katholische Geistliche, gegen den Vorwürfe des Kindesmissbrauchs erhoben worden sind.

Das Strafmaß steht noch aus, am Mittwoch soll dazu eine Anhörung beginnen. Ihm drohen bis zu 50 Jahre Haft. Der Schuldspruch ist ein neuer Rückschlag für die Führung der Kirche, deren Glaubwürdigkeit nach einem Jahr weltweiter Enthüllungen von sexuellen Übergriffen und Vertuschungen massiv angekratzt ist. Pell war Finanzchef im Vatikan und ein enger Berater von Papst Franziskus.

Zwei 13-jährige Chorjungen missbraucht

Die Jury hatte ihre Entscheidung nach zweitägigen Beratungen gefällt. Pell wurde zur Last gelegt, 1996 in der Sakristei der St. Patrick’s Kathedrale in Melbourne zwei damals 13-jährige Chorjungen missbraucht zu haben, nachdem er sie dabei erwischt hatte, wie sie den Messwein tranken.

Pell war damals 55 Jahre alt und wenige Monate zuvor zum Erzbischof der zweitgrößten Stadt Australiens berufen worden. Die Geschworenen befanden Pell auch für schuldig, eines der mutmaßlichen Opfer mehr als einen Monat nach dem mutmaßlichen Übergriff in einem Korridor der Kathedrale bedrängt und dessen Penis gedrückt zu haben.

Schon in den 1970er Jahren zwei Jungen missbraucht

Details zum Strafverfahren blieben auch deshalb bis zuletzt unter Verschluss, weil Pell im April ein zweiter Prozess wegen mutmaßlicher Übergriffe auf zwei Jungen in einem Schwimmbecken in seiner Heimatstadt Ballarat in den späten 1970er Jahren drohte. Damals war er Priester. Doch Staatsanwältin Fran Dalziel teilte dem Gericht am Dienstag mit, die Vorwürfe rund um Ballarat würden fallengelassen.

Pell hatte stets seine Unschuld beteuert. Die Vorwürfe nannte er ein „schändliches und widerwärtiges Verhalten“, das allem zuwiderlaufe, woran er glaube. Paul Galbally, ein Verteidiger, betonte am Dienstag, dass sein Mandant bei der Haltung bleibe.

Der Schuldspruch wurde kurz nach dem Abschluss des ersten Gipfels zum Thema Missbrauch im Vatikan bekannt, den Franziskus vergangene Woche angesetzt hatte. Kirchenobere erörterten in Rom über mehrere Tage hinweg Wege, wie Kinder vor pädophilen Priestern geschützt und der Missbrauch verhindert werden können.