Im Dialog: der Pfarrer Michael Ott (Zweiter von links) mit den Seelsorgern Hannemarie Schuler, Regina Wiendahl und Richard Fock (von links) Foto: factum/Bach

Weil die Zahl der Priester sinkt, müssen sich katholische Pfarrer um mehr Menschen kümmern. Sogenannte Seelsorger vor Ort sollen das Problem lösen. Das rüttelt auch an den Grundprinzipien der katholischen Kirche.

Strohgäu - Ein einziger Pfarrer kümmert sich in der Seelsorgeeinheit Strohgäu um rund 10 000 Menschen. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was das für den Terminplan von Michael Ott bedeutet. Der Pfarrer ist für die katholischen Gemeinden in Korntal, Münchingen mit Hemmingen, Schwieberdingen und Möglingen zuständig. Um den Pfarrer zu entlasten und in den Gemeinden präsenter zu sein, gibt es nun sogenannte Seelsorger vor Ort.

Die Seelsorgeeinheit hatte dazu einen Antrag beim Bischof gestellt. „Die Idee gab es schon lange“, sagt Ott. „Die Einheit ist groß, und man kann als Pfarrer nicht an allen Orten sein.“ Die neuen pastoralen Ansprechpersonen hingegen sind ohnehin nah dran. Für Korntal wird die dortige Gemeindereferentin Regina Wiendahl Ende Januar ernannt, auch die Schwieberdinger Gemeindereferentin Hannemarie Schuler beginnt noch in diesem Monat. Der Möglinger Diakon Richard Fock ist bereits seit Dezember im Amt. Um Münchingen und Hemmingen kümmert sich weiterhin Michael Ott, gemeinsam mit dem Pastoralreferenten Jörg Maihoff. In ihrer neuen Rolle übernehmen die Seelsorger vor Ort Gottesdienste, sie leiten die Sitzungen des Kirchengemeinderats, erledigen Verwaltungsaufgaben, unterrichten an Schulen und halten zum Teil Trauerfeiern. Gemeinsam mit Michael Ott kümmert sich Richard Fock auch um Taufen und Trauungen.

Immer weniger Priester

Die Ernennung von Ansprechpartnern, um in den größer werdenden Seelsorgeeinheiten noch nah an den Menschen sein zu können, ist nicht neu. Auf Bistumsebene gebe es das Angebot schon lange, sagt Hannemarie Schuler. Es ist ein Resultat des Priestermangels. Seit Jahrzehnten geht die Zahl der katholischen Pfarrer zurück. Das wird immer wieder in Verbindung mit dem Zölibat gebracht, mit dem nach einer Studie des Jesuiten Eckhard Frick auch viele der Priester unzufrieden sind. Die Seelsorger vor Ort sind der Versuch, den Mangel an Priestern auszugleichen. Sie halten dem Pfarrer den Rücken frei, damit er sich auf sein „seelsorgerisches Kerngeschäft“, wie es Michael Ott formuliert, konzentrieren kann. Nach Ansicht von Ott umfasst das Taufen, Trauungen und Beerdigungen und vor allem mehr Zeit für Gespräche: „So bleiben Freiräume für die Seelsorge.“

Rolle von Frauen wandelt sich

Für die beiden Gemeindereferentinnen Schuler und Wiendahl und den Diakon Fock erhöht sich im Umkehrschluss der Arbeitsaufwand. „Das merke ich schon“, sagt Wiendahl, und schiebt hinterher, sie fände das Konzept gleichwohl „sinnvoll“. Hannemarie Schuler hat nur eine halbe Stelle und räumt ein, es sei „nicht einfach“.

Mit Konzepten wie den Seelsorgern vor Ort wandelt sich auch die Rolle von Frauen in der katholischen Kirche, weil sie plötzlich Führungspositionen innehaben. „Viele in der Gemeinde finden das gut“, sagt Schuler. Wiendahl ergänzt, sie höre ab und an „flapsige“ Bemerkungen wie „Dürft ihr das?“. Fock sieht das Konzept als „die Chance, dass Frauen in der katholischen Kirche zu hohen Ämtern kommen“. Dass Frauen auch Beerdigungen übernehmen, sei etwa „früher undenkbar“ gewesen.