Herbert Schmucker Foto: Stadtdekanat/Heinz Heiss

Seelsorger brauchen auch einen Seelsorger. Auch – oder vor allem – wenn sie in den Ruhestand getreten sind. Im Stadtdekanat Stuttgart hat diese Aufgabe Herbert Schmucker inne. Der Pensionärsbeauftragte macht seinen Ex-Kollegen im Dekanat Mut.

Stuttgart - Wer nach 50 Jahren als Priester aufhört zu arbeiten, der könnte durchaus in ein Loch fallen. Nicht mehr gebraucht zu werden, ist für manchen ein schlimmes Gefühl. Der neue Alltag wirkt fremd. Im Fall von Martin Kneer, zuletzt leitender Pfarrer der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Neckar, ist das eher ausgeschlossen. Er hat naturgemäß eine andere Perspektive auf das Leben und den Beruf. „Das ist kein Job, das ist für mich bis heute Berufung“, hat er zu seinem Abschied gesagt, den er Ende Juli in St. Peter bei einem Gottesdienst feierte.

Man könnte auch sagen: einmal Priester immer Priester. Das mag auch der Grund sein, warum etwa 30 Prozent der Pfarrer länger arbeiten, als sie eigentlich müssten. Offiziell liegt das offizielle Renteneintrittsalter der katholischere Priester bei 70 Jahren. Aber in der Diözese Rottenburg-Stuttgart reißen diese Marke viele. So wie auch Martin Kneer, der mit 75 Jahren immer noch nicht ganz loslassen kann. Kneer zieht in die Nähe des Caritas-Seniorenheim St. Monika in Neugereut und meint daher: „Dort helfe ich mit, wenn ich gebraucht werde.“

Einmal im Monat gibt es einen Stammtisch

Und doch ändert sich das Leben von Martin Kneer und vielen anderen Priestern, die in den Ruhestand treten fundamental. Dessen Gewahr gibt in der katholischen Kirche einen so genannten Pensionärsbeauftragten. Einen Kümmerer. Oder wie der derzeitige Pensionärsbeauftragte Herbert Schmucker (75) sagt: „Einen Seelsorger für die Seelsorger.“ Einst hatten diese Aufgabe die Dekane, „aber irgendwann merkte man, dass sie mit dieser Aufgabe zeitlich überfordert waren“. Damit hatte die Stunde von Herbert Schmucker geschlagen, der bis zum Jahr 2013 als Pfarrer in St. Fidelis tätig war.

Im Grunde liegt es nahe, dass auch Priester im Ruhestand jemanden brauchen, an den sie sich wenden können. „Schließlich gibt es die Seelsorge ja auch für Priester und Pastoralreferenten im aktiven Dienst“, meint Schmucker. Warum als nicht auch für Pensionäre? Und für diese Gruppe ist Schmucker, der in Bad Cannstatt lebt, „ein wichtiger Gesprächspartner und Ratgeber“.

Damit kein falscher Verdacht entsteht: Priester bekommen nicht automatisch den Blues, nur weil sie Verantwortung verlieren. Schmucker selbst hat das sogar als „Befreiung“ erfahren. „Priester bin ich geblieben, aber die ganzen Verpflichtungen sind weg.“ Nun sei es ihm freigestellt, Dienste zu übernehmen. Liturgie und Verkündigung habe ihm schon immer viel Spaß gemacht, „aber jetzt habe ich noch mehr Zeit dafür“.

Und er nimmt sich Zeit für seine Mitbrüder im Ruhestand. Nicht nur beim monatlichen Stammtisch im Kursaal. Eigentlich immer, wenn bei ihm angeklopft wird. „Dann stehe ich zur Seite“, sagt er. Eben dann, wenn es um Seelennöte oder einfach die Zukunft der Kirche geht. Letzteres mache „Kirchenleuten sehr zu schaffen“. Die Fragen lauten: „Wie konnte es geschehen, dass Kirche solchen Diskussionen ausgesetzt ist.“ Missbrauch, Austritte, die Rolle der Frau in der Kirche. „Das lässt einen nicht mehr los“, sagt er und blickt zurück auf seine eigenen Anfänge Anno 1963. Auf seine Begeisterung für den Glauben, das Christentum und die Aufbruchsstimmung, die nach dem zweiten vatikanischen Konzil in der römisch-katholischen Kirche geherrscht hatte. Und jetzt? Die Prognosen klingen düster. In 30 Jahren soll nur noch die Hälfte der Kirchenmitglieder übrig sein. Quo vadis, Kirche?

Die Zukunft der Kirche besorgt

Mit dieser Kern-Frage muss sich der Pensionärsbeauftragte oft auseinandersetzen. Seine Antwort ist auch auf seinem Gesicht zu lesen. Herbert Schmucker strahlt Zuversicht aus. Man könnte es so übersetzen: Das Evangelium wird nie seine Bedeutung und Kraft verlieren. Und die Institution Kirche? Auch hier weiß er als Gesprächspartner bei seinen Ex-Kollegen oft zu punkten: „Es gibt doch längst Aufbrüche in kleinen Bereichen. Und es gibt lebendige Zellen in unserer Kirche.“ Rom ist weit, der Blick auf die Entwicklung in Stuttgart macht ihm Mut. „Hier entsteht etwas“, sagt er und meint damit auch das trauerpastorale Zentrum in Degerloch oder das spirituelle Zentrum in seiner ehemaligen Gemeinde St. Fidelis. „All das macht Hoffnung.“