Er hofft auf Reformen in der Kirche: Priesteramtskandidat Patrick Wende beim Katholikentag in Stuttgart. Foto: /Philipp Braitinger

Etliche Tausend Besucher sind wegen des Katholikentages nach Stuttgart gereist. Einer von ihnen ist Patrick Wende. Wir haben den 27-jährigen Priesteramtskandidaten begleitet und mit ihm über Gott und die Welt gesprochen.

Er mag die Stadt. Patrick Wende kennt Stuttgart bereits. Er war dort Pastoralpraktikant in der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Mitte. Zurzeit ist er zum Studium im Ahrtal in Rheinland-Pfalz. Zum Katholikentag ist er zurück in die Landeshauptstadt gekommen.

Die erste Station, die er ansteuert, ist der Kreuzweg der Migranten in der Stiftskirche. „Sie fliehen ins Ungewisse“, sagt Wende über die Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen. Die Situation in der Ukraine beschäftige ihn derzeit sehr. In der Stiftskirche sind Ikonen ukrainischer Künstlerinnen und Künstler ausgestellt. Besonders beeindruckend findet der Priesteramtskandidat jene Ikonen, die auf hölzernen Platten gemalt wurden, die einst Teile von Munitionskisten waren. Hintergründig könnte dies so interpretiert werden, dass Gott den Menschen auch im Krieg begegnet, bei ihnen sei, sagt der junge Mann.

„Es gab Momente, da wollte ich gehen“

An der Arbeit für die Kirche begeistert Wende vor allem das Karitative. „Wir müssen uns um die Menschen kümmern“. Das sei doch eine wesentliche Botschaft, die Jesus gepredigt habe. Jeder müsse genügend zu essen haben, sagt der 27-Jährige: „Warum dürfen nicht alle Menschen das haben, was die Menschen in Deutschland haben?“

Es sind viele Fragen, die den Priesteramtskandidaten umtreiben. Oft hadert er mit dem Umgang der Kirche mit aktuellen Herausforderungen. „Es gab Momente, da wollte ich gehen“, sagt er. Andererseits wolle er die Kirche nicht jenen überlassen, die keine Veränderung wollten. Er habe nicht aufgegeben zu hoffen. Mit seinem Wirken wolle er Menschen zum Nachdenken bringen, auch innerhalb der Kirche. Dass es bei ihm auf den Priesterberuf hinausläuft, habe er irgendwann gespürt. Den Glauben habe er vom Elternhaus und dem Pfarrer seiner ehemaligen Gemeinde in Heidenheim an der Brenz vermittelt bekommen.

Ein Beispiel für den Frust, den Wende bisher erlebt hat, ist die immer noch unmögliche Priesterweihe für Frauen. Er empfinde es als Ungerechtigkeit, die für ihn theologisch kaum glaubhaft zu begründen ist. „Die ersten Zeuginnen der Auferstehung Jesu waren Frauen“, erklärt er. Die Frauen sollten das gleiche Recht zur Verkündung haben, wie die Männer. Auch das strikte Festhalten am Zölibat stößt bei Wende auf Unverständnis. Wichtig sei doch die Verkündung der christlichen Botschaft, findet er.

Das Dilemma des Krieges

Nach seiner Ausbildung würde er gerne nach Stuttgart zurückkommen. „Ich bin fürs Stadtleben“, sagt Wende. Zum einen gebe es in der Stadt mehr karitative Aufgaben zu erfüllen als auf dem Land. Und zum anderen habe er während seines Praktikums viel Offenheit, Vielfalt und Buntheit in der Stuttgarter Kirchengemeinde erfahren. „Das habe ich bewundert.“

Von der Stiftskirche geht es weiter zum Eckensee. Dort wird auf einer großen Bühne eine Friedensglocke geläutet. Wieder ist es der Krieg in der Ukraine, der die Menschen auf der Bühne und im Publikum beschäftigt. Die Berichte einer Frau, die mit ihrer Tochter geflohen ist, sind für viele Zuhörer nur schwer zu ertragen. Die Forderung nach weiteren Waffen für die Ukraine wird mit Applaus quittiert, der für einen Katholikentag auffällig laut ist. Für den Priesteramtskandidaten Wende ist die Situation ein Dilemma.

Persönlich sei er auch dafür, dass die Ukrainer Waffen zur Selbstverteidigung bekommen. Oder werde durch die Waffen alles nur noch schlimmer? Mit bloßen Worten sei derzeit nichts mehr auszurichten, befürchtet Wende. „Man ist zwiegespalten“, sagt er. Einerseits könnten die Waffen Leben retten, andererseits würden mit den Waffen Menschen getötet.

Für die kommende Generation an Theologen gibt es viel zu tun

Es geht weiter, Richtung Universität. Am Stand des Bistums Passau findet eine Podiumsdiskussion statt. Es geht um den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche – eine weitere große Baustelle. Auf dem Podium sitzen der Bischof Stefan Oster und der Sprecher des Betroffenenbeirats Passau-Essen Rolf Fahnenbruck. Es geht um das Spannungsverhältnis von Zuwendung, Isolierung und Missbrauch.

Patrick Wende hört aufmerksam zu. Klar ist für ihn, dass es für die kommende Generation an Theologen, die sich Veränderung wünschen, viel zu tun gibt. Die christliche Botschaft ist für den 27-Jährigen stets präsent – nicht nur gedanklich. Den Schriftzug „God is Love“ hat er sich auf den rechten Unterarm tätowieren lassen.