Pia Wick hat „Christliches Yoga“ etabliert und gab auf dem Katholikentag eine Kostprobe. Foto: Martin Haar

Christliches Yoga – geht das? Was beim Katholikentag gut ankommt, sorgt bei Traditionalisten des Yoga für Naserümpfen. Sie empfinden es als eine unzulässige „kulturelle Aneignung“.

Oooooooommmm! Nein, hier im Klassenzimmer des St. Agnes-Gymnasiums erschallt kein Om. Statt der heiligen Silbe singt Pia Wick (55) mit ihren 20 Teilnehmern ein dreifaches Schalom am Anfang und Ende ihrer Yogastunde. Der Raum ist brechend voll, der CO2-Gehalt der Luft geht Richtung Atemnot. Aber der Enthusiasmus und die einfühlsame Art von Pia Wick machen alles wett. Sie versteht ihr Fach. Ausgebildet bei Yoga Vidya bringt die Grundschullehrerin und vierfache Mutter aus Hattingen alles mit, was eine gute Yogalehrerin braucht: Empathie und das Handwerk nach der Lehre von Swami Sivananda.

Doch der Meister aus Rishikesh kommt in dieser Stunde nicht vor. Vom Swami und Mediziner, der in Indien als Wohltäter verehrt wird, stammt der Satz: „Das wahre Handeln liegt in den stillen Momenten.“ Stattdessen rezitiert Pia Wick aus Psalm 46 und verbindet es mit ihren Worten, als sie die Anfangsmeditation anleitet: „Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! – In der Stille darfst du genährt werden.“ Als Ratschlag gibt sie den Schülern mit: „Erkenne mit deinem Körper. Der Körper versteht viel schneller als der Kopf. Weil er vertraut. Der Kopf diskutiert.“

Yoga mit Psalmen

Pia Wick hat den klassischen Hatha Yoga vor rund zehn Jahren in einer persönlichen Lebenskrise in ein „christliches Yoga“ transformiert. „Ich habe gemerkt, dass die Seelsorge für den Kopf nicht ausreichte, da muss der Körper mit rein“, begründet sie ihren Ansatz. Sie habe sich nach einem ganzheitlichen Glauben gesehnt. Im Bibelstudium mit ihrem Mann (Prof. Peter Wick) entdeckte sie die Leiblichkeit der Bibel und deren leibsensible Theologie. „Der Yoga ist supertoll für den Körper und um in die Stille zu kommen“, sagt sie, „aber wenn man das mit einem Bibelwort füllt, kann man das besser nachspüren“. Für die gebürtige Schweizerin ist Yoga lediglich eine Technik.

Roms Exorzist nannte Yoga „teuflisch“

Ganz so einfach haben es sich manche Christen in der Vergangenheit nicht gemacht. Die Orthodoxen Kirchen meinten, „Yoga hat im Leben von Christen nichts zu suchen“. Man deklarierte den Yoga als spirituell gefährlich. Es sei ein Akt der Selbstoptimierung. Der inzwischen gestorbene Exorzist der Diözese Rom, Pater Gabriele Amorth, meinte gar: „Yoga zu betreiben, ist teuflisch. Man denkt, es führt zu Entspannung, doch es führt zum Hinduismus.“ Auch wenn sich das selbst für den Otto-Normal-Christen etwas abgedreht anhören mag, an der grundsätzlichen Sichtweise der katholischen Kirche ändert das nichts. Da hält man sogar die Vermischung von Praktiken des Yoga mit christlichen Elementen für Esoterik, Patchwork-Religion oder schlicht für religiösen Synkretismus.

Nur ein neues Wording?

Wick selbst interessiert das nicht. Ihr geht es um, „einen Aushandelsprozess zwischen den Kulturen“. Den Vorwurf, dass sie dem klassischen Yoga lediglich ein neues Etikett überstülpe, um es für Christen in Gewissensnöten zu legitimieren, kontert sie gelassen: „Ich kann Yoga in allen Farben machen, glaube aber trotzdem an meinen Gott. Aber, wenn ich meinen Glauben vertiefen möchte, dann muss eben der Körper mit rein.“

Kritik vom Experten

Mario Esposito, einer der profiliertesten Yogalehrer aus Stuttgart, der in der gleichen Tradition wie Pia Wick ausgebildet wurde und selbst für Yoga Vidya Ausbildungen leitete, mag das so nicht stehen lassen: „Yoga, zu Deutsch Verbindung, ist ein zentraler Begriff der in Sanskrit verfassten, heiligen Schriften Indiens. Zwar war Yoga auch auf dem Subkontinent nie eine eigene religiöse Konfession. Zweifellos beinhaltet der Begriff damit aber eine religiöse Dimension. Im traditionellen Sinn bedeutet, Yoga zu praktizieren, sich Übungen und einer quasi innerlichen Schulung zu unterziehen, um diese Einheit zu erlangen. Aus christlicher Sicht, wird dem Yoga gerne vorgeworfen, sich Gottgefälligkeit quasi erarbeiten zu wollen. Damit aber tut man Yoga unrecht, denn auch dort existiert eine sehr ausgeprägte Idee vollständiger Hingabe an Gott und des Empfangens göttlicher Gnade.“

Für den Experten stellt sich daher die Frage, ob es zielführend oder überhaupt möglich ist, den Yoga allein dadurch mit dem Christentum kompatibel zu machen, dass man ihn seiner traditionellen Sanskrit-Begrifflichkeit und seiner religiös-rituellen Aspekte entledigt.

Sein Fazit: „Wahrscheinlich könnte man hier sogar von einem Akt kultureller Aneignung sprechen.“ Möglicherweise kann man die Dinge auch viel einfacher betrachten. Etwa mit Bauchgefühl, so wie eine Teilnehmerin in dieser Stunde: „Normale Yogastunden haben sich für mich immer unstimmig angefühlt, die Sanskritworte falsch: Dieses Yoga sei eine neue Erfahrung gewesen, fast eine Offenbarung. Was wohl der altehrwürdige Yogi Pattabhi Jois dazu gesagt hätte? Schwer zu sagen. Aber einer der berühmtesten Sätze, des Mannes, der den Yoga in den Westen brachte, lautet: „ Do your practice and all is coming.“ Frei übersetzt: Übe Yoga, egal, wie du es nennst, der Rest gibt sich.

Bauchgefühl kontra Lehrmeinung