Die Paulusgemeinde will nicht nur architektonisch neue Akzente setzen. Foto: factum/Granville

Raus aus dem Schmollwinkel: Die katholische Pfarrei im Ludwigsburger Stadtteil Oßweil will sichtbar werden – und wagt dafür einige Experimente.

Ludwigsburg - Für die Stadt ist es ein grüner Ort, für Mitglieder der Kirchengemeinde St. Paulus eine Hecke, die mehr Deckung bietet als ihnen lieb ist. Die Oßweiler Katholiken wollen aus dem Versteck heraus. „Unsere Kirche soll gesehen werden“, sagt Kirchengemeinderat Erhard Keicher. Die Oßweiler Katholiken wollen aus dem Versteck heraus. Dafür sind Veränderungen geplant, die von der Jugendarbeit bis zum Gottesdienst reichen – und die ihren Ausdruck in einer neuen Architektur finden sollen. An diesem Freitag werden die Pläne noch einmal mit Vertretern der Kirche und der Stadtverwaltung diskutiert.

Plätze für Schüler mit Behinderung

Die Probleme, mit denen die Gläubigen von St. Paulus zu kämpfen haben, sind die gleichen, die auch andere christliche Gemeinschaften plagen: Die Nachfrage nach religiöser Lehre ist gering, die Zahl der Kirchgänger schrumpft und die Gemeindeleitungen müssen sich sehr viel einfallen lassen, um im lauten Konzert der Sinnangebote Gehör zu finden. Doch in St. Paulus will man es nicht beim Jammern belassen. Schon vor Jahren wurde beschlossen, sich zu öffnen: „Wir wollen uns nicht weiterhin hinter hohe Bäume und Büsche zurückziehen“, sagt Keicher. Nach langer Debatte sollen jetzt die Weichen für den neuen Kurs gestellt werden, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderats.

Zu den zentralen Bausteinen gehört die Vergrößerung der Kindertagesstätte (hier steigt die Nachfrage kontinuierlich), der Bau einer Behinderteneinrichtung der Stiftung Liebenau (was der Landkreis schon lange wünscht) sowie die Schaffung von Wohnraum. Die Expansion ist möglich, weil angrenzende Freiflächen, die seit den siebziger Jahren für den Ausbau der damals geplanten Stadtautobahn reserviert waren, jetzt für eine neue Nutzung freigegeben wurden. Außerdem verfügt die Kirche über ungenutzte Räume: „Das Gemeindehaus ist für 10 000 Katholiken gebaut worden“, sagt Keicher. Das sei auch in guten Zeiten eher utopisch gewesen. Momentan zählt die Kirchengemeinde 3800 Mitglieder, etwa 300 davon sind aktiv.

Perle in der Muschel?

Für Umbau und Neuordnung des Geländes hatte die Paulusgemeinde einen Architektenwettbewerb ausgelobt. Nun schwanken die Zuständigen noch zwischen den von einer Jury auf Platz eins und zwei platzierten Entwürfen. Der eine fasse das bestehende Kirchengebäude wie eine „Perle in einer Brosche“, heißt es in der Begründung der Jury für das Siegerkonzept des Stuttgarter Büros Harris + Kurrle. Der Entwurf des Freiburger Büros K 9 (Platz 2 im Wettbewerb) hat dagegen die Freiflächen großzügig als „Paulus-Forum“ konzipiert. Während der Zweitplatzierte den von der Paulusgemeinde gewünschten Platz für Begegnungen bietet, besteche das Siegermodell durch seine Architektur, sagt Kirchengemeinderat Keicher. Was jedoch auf Kosten von Offenheit und Zugänglichkeit gehe. In der Kirchengemeinde gebe es Anhänger für beide Konzepte, während die Ludwigsburger Stadtverwaltung die abgeschlossenere Variante favorisiere.

Um beide Seiten vielleicht doch noch zu versöhnen, habe das Büro Harris + Kurrle sein Modell seit der letzten Präsentation vor den Sommerferien nachgearbeitet. Das sei möglich, weil die Stadt inzwischen auch einen angrenzenden Weg für eine Umgestaltung frei gegeben hat.