Susanne Gleichauf (links) und Ulrike Breitbach arbeiten im Pfarrbüro von Mariä Himmelfahrt in Degerloch. Sie sagen, die Zusammenarbeit der Filder-Gemeinden klappe gut. Foto: Sägesser

Seit anderthalb Jahren arbeiten die Katholiken auf den Fildern enger zusammen. Weil sie müssen – aber immer mehr auch, weil sie wollen. Eine erste Bilanz.

Filder - Das „Senfkorn“ und die „Perspektiven“ sind verschmolzen. Zu einem gemeinsamen Gemeindebrief. „Katholische Kirche in Degerloch, Heumaden, Hohenheim und Sillenbuch“ ist der allgemein daherkommende Titel. Noch. Denn die frisch vereinten Gemeinden sind dabei, sich neu zu betiteln. Fürs Wir-Gefühl, für den Neustart, den nicht alle so wollten.

Seit Januar 2015 arbeiten die Katholiken in den Stadtbezirken Birkach, Plieningen, Degerloch und Sillenbuch noch enger zusammen, Anfang 2017 werden sie eine Gesamtkirchengemeinde. Das Stadtdekanat hatte diesen Schritt in einem für viele Beteiligten schmerzhaften Prozess verordnet, ihren Priester Roland Rossnagel haben die Katholiken auf diesem Weg verloren, er wechselte nach Heilbronn.

Mittelweg suchen

Für Ulrike Breitbach und Susanne Gleichauf ist der neue Gemeindebrief ein Symbol. Um aus mehreren Publikationen eine zu machen, mussten letztlich alle zurückstecken, ein gedruckter Kompromiss. Breitbach und Gleichauf arbeiten als Sekretärinnen im Pfarrbüro der katholischen Gemeinde Mariä Himmelfahrt in Degerloch; Gleichauf ist bei den Redaktionssitzungen dabei. „Die Blätter waren halt doch sehr unterschiedlich“, sagt sie. „Man musste versuchen, einen Mittelweg zu finden.“ Wie es ist, plötzlich mit einer anderen Gemeinde enger zu kooperieren, kennen die zwei Frauen aus dem Pfarrbüro schon. Seit gut 15 Jahren bilden Degerlocher und Hohenheimer Katholiken eine Seelsorgeeinheit. „So etwas geht nicht von heute auf morgen“, sagt Breitbach.

Von der Stimmung in Degerloch gegenüber der weiteren Neuerung und der dann 14 000 Mitglieder umfassenden Filder-Gemeinde kann Breitbach sagen: „Es waren keine großen Ängste da, dass hier große Verluste entstehen.“ Was vermutlich auch daran liegt, dass das Stadtdekanat sich den Standort Degerloch für Visionäres ausgeguckt hat. So wie es aussieht, wird in der Gemeinde Mariä Himmelfahrt ein Trauerpastorales Zentrum eingerichtet, damit schwenken die Scheinwerfer automatisch auf Degerloch. Zudem wird der neue Priester Stefan Karbach dort wohnen. Davon träumen die Heumadener nur. Aber auch sie haben etwas, womit sie sich brüsten können: Die Investitur Karbachs wird bei ihnen gefeiert. Sie haben den größten Gemeindesaal.

Der Weggang glich einem Rückgang

Den Heumadenern dürfte es am schwersten gefallen sein, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Sie sind mit gut 2200 Mitgliedern als kleinste Gemeinde zur neuen Einheit dazugestoßen. Die Kirchengemeinderäte hatten sich heftigst gewehrt, sie kämpften mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen, von Kemnat und Ruit getrennt und mit Degerloch und Hohenheim zusammengeschlossen zu werden. Als der Pfarrer Rossnagel 2014 seinen Weggang – der einem Rücktritt glich – verkündete, war die Stimmung im Keller. Bei der Wahl des Kirchengemeinderats 2015 „hatte keiner mehr Lust“, berichtet Rosa Braun, die zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats. Die Motivation war gleich null.

Wer heute, zwei Jahre später, mit Rosa Braun über die Zwangsehe der Gemeinden spricht, spricht mit einer Rosa Braun, die optimistisch, ja fast aufgekratzt klingt. Erst wollte keiner für die Wahl antreten, doch das Verantwortungsbewusstsein habe überwogen, erzählt Braun. Die Planungen für die Renovierung des Gemeindesaals und des Kindergartens seien in vollem Gange gewesen. „Keiner sonst hätte sich ausgekannt“, sagt sie. Also haben vier Frauen beschlossen, weiterzumachen, trotz allem. Letztlich wurden es acht Kirchengemeinderäte, zwei weniger als vorher. „Wir sind ein tolles Team, es sind alle mit Feuereifer dabei“, sagt Braun. Und auch was die ungewollte Fusion angeht, weichen die Vorbehalte der Zuversicht. Sie habe schon einige nette Leute kennengelernt, „es hat sich alles zum Positiven gewendet“.

Vorsichtiges Herantasten

Das würde Steffi Hafenmaier sofort unterschreiben. „Da sagt einer: Jetzt seid ihr Seelsorgeeinheit, und daraus soll man was machen“, berichtet sie von der anfänglichen Skepsis. Doch genau das tun sie nun. Sie gehört zu der Gruppe, die das erste große Gemeindefest für den 26. Juni organisiert. Sie hat kein Amt inne, doch sie hat sich bereit erklärt, die Hohenheimer Katholiken in dem Gremium zu vertreten. Sie seien zu guten Lösungen gekommen fürs Fest im Degerlocher Waldheim. „Ich denke, alle Gemeinden sind zunächst vorsichtig an die Sache rangegangen“, sagt Hafenmaier. „Man kannte sich ja nicht. Doch jetzt wird es wahrscheinlich ein richtig tolles Fest.“ Weil die Katholiken auf den Fildern zum ersten Mal in Summe feiern, schwankt die geschätzte Besucherzahl zwischen 400 und 600. In Maultauschen und Schnitzel umgerechnet, ist die Differenz beachtlich.

Je mehr kommen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass nicht nur „Senfkorn“ und „Perspektiven“ verschmelzen, sondern auch die Menschen dahinter.