Die letzten Meter auf freiem Fuß: Ehemalige Mitglieder der katalanischen Regionalregierung auf dem Weg zum Gericht. Foto: Getty Images

Acht Mitglieder der abgesetzten katalanischen Regionalregierung müssen in Untersuchungshaft. Gegen den geflüchteten Carles Puigdemont wird ein Europäischer Haftbefehl vorbereitet. Der Politiker gerät wegen seiner Flucht immer stärker in die Kritik.

Madrid - Oriol Junqueras hatte sich auf das vorbereitet, was ihn an diesem Donnerstag ereilte. Es sei „irrelevant“, ob er in naher Zukunft der künftige Präsident einer katalanischen Republik oder Häftling in einem spanischen Gefängnis sei, sagte der Vizepräsident der katalanischen Regionalregierung schon Mitte September. Was zählt, sei „das demokratische Engagement der katalanischen Gesellschaft“. Im Vergleich dazu „ist meine persönliche Zukunft unerheblich“.

Nun sitzt Junqueras – mit sieben anderen Mitgliedern der am vergangenen Wochenende abgesetzen Regionalregierung – tatsächlich im Gefängnis. Die Untersuchungsrichterin an Spaniens Nationalem Gerichtshof ordnete für alle acht am Donnerstagnachmittag Untersuchungshaft an, so wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Sie wirft den Politikern „Rebellion“, „Aufruhr“ – vergleichbar dem deutschen Straftatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte – und die Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. Den Politikern drohen bis zu 30 Jahre Haft. Nach dem Verhör wurden die Politiker abends zu verschiedenen Haftanstalten im Madrider Umland gefahren. Ein neunter Minister blieb auf freiem Fuß, weil er noch vor der Unabhängigkeitserklärung am vergangenen Freitag zurückgetreten war.

Einen Haftbefehl müssten die belgischen Behörden ausführen

Gegen den abgesetzten Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und vier weitere seiner Minister, die am Montag nach Brüssel geflohen waren, bereitete die Richterin einen Europäischen Haftbefehl vor, den sie bis zum Abend aber noch nicht ausgestellt hatte. Puigdemont und die Minister hatten die Vorladung des Gerichts ignoriert. Einen Haftbefehl müssten die belgischen Behörden ausführen. Anschließend würde dem Ex-Regionalchef die Auslieferung nach Spanien drohen.

Das harte Vorgehen gegen die Mitglieder der Puigdemont-Regierung kommt überraschend – und auch wieder nicht. Vor den Augen der spanischen Öffentlichkeit trieben sie in den vergangenen zwei Jahren mit Unterstützung der separatistischen Mehrheit im Regionalparlament die Abspaltung Kataloniens von Spanien voran. Das spanische Verfassungsgericht und der juristische Dienst des katalanischen Parlaments machten sie immer wieder auf die Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens aufmerksam. Doch sie ließen es auf eine Machtprobe ankommen. Die haben sie vorerst verloren.

Puigdemont zieht mit seiner Flucht Kritik auf sich

In den kommenden Tagen wird sich die Mobilisierungsfähigkeit der Unabhängigkeitsbewegung auf den Straßen Kataloniens zeigen. Òmium Cultural, eine der beiden großen separatistischen Bürgerinitiativen, rief noch am Donnerstagabend zu einer Demonstration am Sonntag kommender Woche auf. Das Motto: „Freiheit für die politischen Gefangenen.“ Nach der Absetzung der Regionalregierung war es in dieser Woche in Katalonien bemerkenswert ruhig geblieben. Die spanische Rajoy-Regierung hatte die Region am Freitagabend unter Zwangsverwaltung gestellt und zugleich Neuwahlen zum katalanischen Parlament für den 21. Dezember angesetzt. An diesen Wahlen wollen auch die separatistischen Parteien teilnehmen. Auch mit einem gut denkbaren Sieg der separatistischen Parteien bei diesen Wahlen wird sich allerdings die spanische Rechtslage nicht ändern.

Carles Puigdemont zog sich mit seinem Fernbleiben indes Kritik auch aus Katalonien zu. Der Anwalt von zwei der vorgeladenen Parlamentarier sagte, Puigdemont hätte der Vorladung ebenfalls Folge leisten sollen. Der frühere Regionalabgeordnete Joan Josep Nuet kritisierte, dass Puigdemont die anderen Beschuldigten einem erhöhten Risiko der Untersuchungshaft aussetze, weil er zeige, dass Fluchtgefahr bestehe. Tatsächlich begründete die Richterin am Abend mit diesem Hinweis die Untersuchungshaft für die Minister.