Der Kartenvorverkauf der Stuttgarter Staatstheater läuft nun für die gesamte nächste Spielzeit. Zum Auftakt am Montag haben die ersten Gäste bereits ab 6 Uhr morgens vor dem Schauspielhaus gewartet – dank Kaffee und Sitzgelegenheiten kommen auch Hardcore-Fans auf ihre Kosten.
Um sechs Uhr morgens, drei Stunden bevor das Staatstheater Stuttgart seine Türen öffnet, trifft die erste Kundin vor dem Schauspielhaus ein. Nicht viel später erstellen ein paar Frauen eine Namensliste und notieren, wer wann eingetroffen ist. Dann kleben sie die Liste auf das Fenster am Eingang. Es ist der Tag, an dem sich die Tickets für alle Vorstellungen der gesamten neuen Spielzeit bis 2025 erwerben lassen. Die Zeiten, in denen Theaterfans im Schlossgarten für Plätze in Inszenierungen des damaligen Intendanten Claus Peymann nächtigten, sind zwar schon lange vorbei – doch auch heute nehmen die Gäste für das Kulturprogramm Unbequemlichkeiten auf sich. Einige sind früh aufgestanden, um als Erste die gewünschten Karten, etwa für „Anna Karenina“ oder die Ballettmatinee der John-Cranko-Schule, zu ergattern. Der Verkauf an den Kassen des Staatstheaters sowie online und telefonisch wurde für zehn Uhr angekündigt. Damit die Gäste bei der Wärme nicht stundenlang in der Schlange stehen müssen, öffne man die Gastronomie bereits um neun und habe ein Zettelsystem eingeführt, erzählt Martin Dehli, der Leiter des Ticketverkaufs.
Die Reihenfolge, in der Tickets verkauft werden, ist nun also offiziell durch Nummernzettel geregelt, die an die Wartenden verteilt werden – die von den Gästen erstellte Liste damit überflüssig geworden. Die kleinen Zettel liegen auf den Tischen im Foyer und im Außenbereich neben Spielplänen und Kaffeetassen. Mitarbeitende verteilen Gummibärchen und Kühlschrankmagneten in Form der Staatsoper. Es wird getrunken, gelesen oder das Programm besprochen. Martin Dehli erklärt, nun sei der Andrang auf die Karten, der ansonsten unsichtbar und vor allem im Internet stattfinde, vor Ort am Staatstheater sichtbar.
Es gibt Nummernzettel im Schauspielhaus
Bisher waren die Karten jeweils zwei Monate vor dem Aufführungstermin erhältlich, nun können die Gäste ihre Besuche in der Oper, im Schauspiel und im Ballett erstmals deutlich länger, nämlich bis zu einem Jahr vorausplanen. Damit möchte das Drei-Sparten-Haus seinem Publikum auch eine langfristige Organisation ermöglichen und passt sich dem Rhythmus anderer Spielhäuser an. Außerdem erhält das Haus auf diese Weise auch mehr Planungssicherheit. Ob spontane Ticketkäufe gegen Ende der Spielzeit noch möglich sein werden, wird sich zeigen.
Einigen Besuchern missfällt die Umstellung der Vorverkaufbedingungen. „Wenn man älter ist, ist es ein gewisses Risiko, Karten so weit im Voraus zu kaufen“, scherzt eine Besucherin. Erika Christa Baumann dagegen findet das Prozedere aufregend. „Es hat einen gewissen Kitzel“, sagt sie. Auf ihrer Liste stehen neben der Strauss-Benatzky-Operette „Casanova“, „Idomeneo“ von Mozart sowie „Sancta“ – die erste Oper der Performancekünstlerin Florentina Holzinger. Baumann, die sich selbst als „Opern-Fan forever“ tituliert, kommt eine halbe Stunde vor Verkaufsbeginn und erhält am Eingang die Nummer 77. Sobald ihre Nummer aufgerufen wird, kann sie an einer der fünf Kassen so viele Vorstellungen buchen, wie sie möchte. Nur für begehrte Termine wie die Filmpremiere von Joachim Langs „Cranko“ über das „Stuttgarter Ballettwunder“ am 20. September oder die Vorstellung des Balletts zugunsten der Aktion Weihnachten ist der Verkauf auf sechs Stück pro Kopf limitiert.
In der ersten Stunde war der Andrang groß
Am Nachmittag sind die Karten für Langs Cranko-Stück bereits ausverkauft. Besonders in der ersten Stunde sei der Andrang groß gewesen, erzählt Thomas Koch, Direktor für Strategische Kommunikation an der Staatsoper Stuttgart. 90 Prozent der Verkäufe liefen mittlerweile online – dem hätte auch die vervierfachte Serverkapazität für den Vorverkauf zunächst nicht standhalten können. Die vielen Zugriffe auf die Webseite vor allem von Mobilgeräten hätten zu einer „selbst generierten Verstopfung“ geführt. „Ab elf Uhr war der Run erledigt, und es lief alles gut“, sagt Koch. Ob analog oder online, am Ende waren auch unter den neuen Bedingungen alle an ihre Tickets gekommen. Auf dem Instagram-Account der Staatstheater kommentiert eine Userin dazu: „Ganz schön in die Knie gegangen eure Website. Aber ich habe es geschafft!“ Genau wie die schon zu früher Stunde Wartenden im Schauspielhaus nach vier Stunden und viel Kaffee auch.