Die Europäische Kommission will die wohl illegalen Absprachen von BMW, Volkswagen und Daimler mit empfindlichen Geldbußen ahnden. Foto: AP, Ullstein

BMW droht im Kartellverfahren eine Milliardenbuße, die Autobauer VW und Daimler könnten indes glimpflicher davonkommen, weil sie zu den Treffen und Absprachen der Konzerne Informationen nach Brüssel geliefert haben.

Brüssel - Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat im Kartellverfahren gegen die deutschen Autobauer BMW, VW und Daimler die nächste Runde eingeläutet. Die Beamten der Dänin, die erklärtermaßen auch die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker anstrebt, haben an die betroffenen Unternehmen die Akten mit ihren Beschwerdepunkten verschickt. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Verdachtsmomente von der Wettbewerbsbehörde als gravierend eingestuft werden. Die Wettbewerbshüter gehen also von illegalen Absprachen aus und dürften innerhalb der nächsten Monate saftige Kartellstrafen verhängen.

Beim Kartellverfahren geht es nicht um illegale Preisabsprachen

Im Fall Daimler, BMW und VW mit den Tochterunternehmen Audi und Porsche, geht es diesmal nicht um illegale Preisabsprachen. Die Kommission geht offenbar davon aus, dass die Absprachen zwischen den Herstellern darauf abzielten, den technischen Fortschritt bei der Abgasnachbehandlung auszubremsen. Vestager erklärte: „Unternehmen können auf viele Arten zusammenarbeiten, um die Qualität ihrer Produkte zu verbessern.“ Die Vorschriften verböten aber, Absprachen zu treffen, die darauf abzielen, Produkte nicht zu verbessern und bei der Qualität nicht in Wettbewerb zueinander zu treten. „Wir haben Anlass zur Sorge, dass in diesem Fall genau dies geschehen ist“, so Vestager.

Ermittlungen konzentrieren sich auf zwei Bereich

Unstrittig ist, dass Ingenieure der beteiligten Konzerne sich in 5er-Kreisen über Jahre mehrfach getroffen und über Details bei der Abgasnachbehandlung ausgetauscht haben. Die Frage ist, ob die Treffen zwischen 2006 und 2014 und die getroffenen Absprachen illegal waren. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf zwei Bereiche. Bei Diesel-Pkw geht es um die SCR-Technologie, die Stickoxid-Ausstoß reduziert. Die Kommission ist überzeugt, dass sich die Hersteller abgesprochen haben, besonders kleine AdBlue-Tanks für den benötigten Harnstoff zu verbauen. Die Tankgröße hat Einfluss auf die Reichweiten und damit auf die Wirksamkeit der Abgasnachbehandlung. Bei Benzin-Pkw mit Direkteinspritzung haben sich die Hersteller, so vermutet die Kommission, abgesprochen, um die Einführung von Ottopartikelfiltern zur Verringerung des Schadstoffausstoßes zu verzögern.

Die Hersteller haben jetzt die Gelegenheit, Einsicht in die Akten zu nehmen, die Vorwürfe zu prüfen und ihrerseits Stellung zu beziehen.

Ein komplizierter Fall

Der Fall ist kompliziert. Tatsächlich droht vor allem BMW eine Kartellbuße in Milliardenhöhe von der Kommission. Daimler und VW beanspruchen für sich Kronzeugenstatus. Dem Vernehmen nach hat Daimler die Ermittlungen in dem Kartellfall überhaupt erst ins Rollen gebracht, als der Konzern im Sommer 2014 die Wettbewerbshüter auf Absprachen zwischen den deutschen Herstellern aufmerksam gemacht hat. Volkswagen zog nach und lieferte ebenfalls belastende Informationen nach Brüssel. BMW hat sich von Anfang an auf den Standpunkt gestellt, dass die Absprachen nicht illegal waren. Nach dem EU-Kartellrecht kann der Kronzeuge mit einem kompletten Erlass der Buße rechnen. Der zweite Kronzeuge kann mit einem Nachlass von 30 bis 50 Prozent rechnen.

Viele Berührungspunkte mit dem Dieselskandal

Der Kartellfall hat viele Berührungspunkte mit dem Dieselskandal, in dem es um illegale Abschalteinrichtungen der Abgasnachbehandlung geht. Vestager betont, dass es ihr nur um die wettbewerbsrechtliche Dimension der Absprachen geht. Verstöße gegen Umweltvorschriften seien Sache der Staatsanwaltschaften und anderer Behörden. Für BMW wäre es bitter, wenn der Konzern eine Milliardenstrafe erhielte, während VW als Hauptübeltäter im Dieselskandal einen Rabatt bekäme.

BMW wehrt sich denn auch gegen die Vorwürfe aus Brüssel. Es habe sich eben nicht um Geheimabsprachen gehandelt. „Die BMW Group sieht in diesem Verfahren den Versuch, die zulässige Abstimmung von Industriepositionen zu regulatorischen Rahmenbedingungen mit unerlaubten Kartellabsprachen gleichzusetzen“, teilte der Münchener Konzern nach der Ankündigung der Kommission mit. BMW erklärt weiter, dass in den 5er-Kreisen möglichst kleine und leichte Harnstoff-Tanks von allen Beteiligten angestrebt wurden. Da seinerzeit kein flächendeckendes Nachfüllsystem zur Verfügung stand, habe sich BMW entschieden, größere Tanks einzusetzen. Die Verteidigungsstrategie von BMW deutet darauf hin, dass der Konzern nicht klein beigeben will, sondern darauf setzt, gegen eine mögliche Kartellstrafe vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen.