Logo der Linde AG auf Gasbehältern in Pullach. Die geplante Fusion mit Praxair stößt in den USA auf kartellrechtliche Probleme. Foto: dpa

Die US-Kartellbehörde stellt vor einer Fusion der beiden Industriegase-Unternehmen Linde und Praxair neue Forderungen. Dahinter könnten politische Motive stehen.

München - Das unternehmerische Vermächtnis Wolfgang Reitzles gerät ins Wanken. Als solches hat der 69-jährige ehemalige Automanager und Linde-Aufsichtsratschef die Fusion des Münchner Gaskonzerns mit seinem US-Rivalen Praxair geplant. US-Kartellwächter stellen diese nun in Frage, indem sie kurz vor Vollzug der Firmenehe zusätzliche Bedingungen für den Verkauf fordern.

Eigentlich schien schon alles klar. Reitzle hat die Fusion gegen den ausdrücklichen Willen der eigenen Belegschaft und andere Widerstände auf die Ziellinie gebracht. Nun knirscht es völlig überraschend in den USA, und die Frage ist, ob die offiziellen Vorbehalte auch die wirklichen sind. Es ist immerhin der Schatten von US-Präsident Donald Trump, der sich über die Pläne legt. „Ich kann es mir vorstellen, es ist realistisch“, sagt ein Insider zur Vermutung, es sei unausgesprochen die Dublin-Frage, die die Fusion nun ernsthaft gefährdet. Denn in die irische Hauptstadt und damit ein EU-Land will der im Fusionsfall zum Weltmarktführer bei Industriegasen aufsteigende Konzern seinen steuerlichen Sitz verlegen. Auf 27 Milliarden Euro Umsatz und 80  000 Beschäftigte würde man dann kommen. Unternehmerisch gesteuert würde der Branchenriese von den USA aus und im Management von Praxair-Chef Stephen Angel und Kollegen kontrolliert. Aber die Abwanderung von Firmensitzen aus den USA und speziell in die EU sieht Trump bekanntermaßen nicht gern.

Die Verantwortlichen bei Linde und Praxair tappen derzeit im Dunkeln

Die US-Kartellbehörde FTC könne aber nur Wettbewerbsgründe anführen, um eine Fusion zu untersagen und nicht einen Firmensitz, erklärt ein Branchenanalyst. Was dagegen im Hintergrund läuft, weiß er ebenso wenig wie zumindest derzeit die Verantwortlichen bei Linde und Praxair. „Wir haben keine weiteren Information“, räumt ein Insider aus dem Kreis der Fusionspartner mit Blick auf die FTC ein. Falls die aber auf Zeit spielen wolle, könne das die Fusion scheitern lassen. Denn bis 24. Oktober muss alles geregelt sein. Dieser Stichtag ist nicht verlängerbar.

„Der 24. Oktober ist die härteste Grenze“, betont auch ein Branchenanalyst. Zusätzliche Auflagen der FTC zum Verkauf weiterer Unternehmensanteile seien eher verkraftbar. Auch hier haben sich Linde und Praxair aber Limits gesetzt. Die liegen beim Verkauf von Firmenanteilen bei 3,7 Milliarden Euro Umsatz und 1,1 Milliarden Euro operativem Gewinn. Größte Brocken sind ein bereits verabredeter Verkauf des US-Geschäfts von Linde an den deutschen Wettbewerber Messer und dessen Investmentpartner CVC. Praxair wiederum hat sich soeben bereit erklärt, große Teile des eigenen Europageschäft an den japanischen Wettbewerber Taivo Nippon Sanso zu veräußern. Was darüber hinaus die FTC noch als Fusionshindernis sieht, verrät Linde nicht und auch nicht, welche Geschäftsumfänge nun zusätzlich zur Disposition stehen. Die FTC bestehe auf weitere Veräußerungszusagen, erklärt der Münchner Traditionskonzern wortkarg. Es bestehe „eine höhere Wahrscheinlichkeit“, dass die geltenden Obergrenzen für eine Fusion „damit überschritten wird“.

Optimistisch klingt anders. Hinter den Kulissen dürften nun erst einmal die Drähte zwischen den Fusionspartnern heißlaufen. Zudem muss das Duo in Erfahrung bringen, ob die FTC lediglich auf weitere Verkäufe pocht oder politisch instrumentalisiert wurde. Klar ist, dass potentielle Käufer weiterer Firmenteile erst gefunden werden müssten und unter Zeitdruck erzielbare Verkaufspreise niedrig liegen dürften. Irgendwann rechnet sich dann auch eine Fusion wirtschaftlich nicht mehr.

Die Zeit drängt

Vor allem aber drängt die Zeit. Man müsse jetzt erst einmal analysieren, inwieweit sich die neuen FTC-Forderungen schnell genug umsetzten lassen, um eine rechtzeitige Freigabe des Zusammenschlusses zu erreichen, warnt Linde. Branchenkenner sehen auch ein Risiko, dass andere Kartellbehörden nach dem Veto aus den USA ihrerseits nachlegen könnten und sich eine Kettenreaktion in Gang setzt. So prüft die EU-Kommission offiziell noch bis 24. August. Auch aus China und anderen asiatischen Ländern fehlt behördlicher Segen. Tot ist die Fusion zwar noch nicht – aber sie könnte scheitern. Linde und Praxair steht fraglos ein in jeder Hinsicht heißer Sommer bevor.