Karstadt kämpft sich aus der Krise Foto: dpa

Der neue Karstadt-Chef Stephan Fanderl gilt in der Branche als ein Mann, der hart durchgreifen kann. Nach Stuttgart stehen weitere Schließungen an – die Gewerkschaft rechnet damit, dass 2000 Arbeitsplätze betroffen sind.

Stuttgart - Bei den knapp 17 000 Mitarbeitern der schwächelnden Kaufhauskette Karstadt geht die Angst um. Ihr neuer Chef Stefan Fanderl hat angekündigt, dass es mit dem Aus von zunächst sechs Karstadt-Häusern nicht getan ist.

Bereits angekündigt hat Fanderl die Schließung des Warenhauses in Stuttgart und Hamburg-Billstedt sowie die Filialen der auf junge Mode spezialisierten Kette K-Town in Köln und Göttingen. Daneben stehen die Schnäppchenmärkte in Paderborn und Frankfurt/Oder vor dem Aus.

Hier eine Grafik mit der Übersicht der Karstadt-Filialen deutschlandweit

Insgesamt befinden sich auf der Liste der Häuser, die rote Zahlen schreiben, weitere 21 Filialen. Bei insgesamt 13 von ihnen wird nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten über eine Schließung nachgedacht. Unter den 21 Filialen sei als einziges Haus aus Baden-Württemberg Esslingen aufgeführt, heißt es. Eine Schließung stünde dort jedoch nicht zur Debatte. Die restlichen sieben Karstadt-Häuser in Baden-Württemberg seien wirtschaftlich sehr stark – Konstanz und Lörrach gehörten demnach sogar zu den besten Filialen in ganz Deutschland.

Doch so richtig beruhigen mag das derzeit im Unternehmen niemanden. „Wir werden veräppelt“ heißt es bei den Beschäftigten. „Wer soll das noch alles ertragen? Und wann hat das mal ein Ende mit dem ewigen Sanierungsgequatsche?“

Zum Sanierungsplan von Stefan Fanderl namens Fokus gehören nicht nur Filialschließungen, sondern auch Einschnitte beim Gehalt der Beschäftigten. Die Rede ist von Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld und davon, die Tarifpause über 2015 hinaus zu verlängern.

Entsprechend hart fällt die Kritik der Gewerkschaft Verdi aus. „Für die Beschäftigten ist das heute ein bitterer Tag“, sagte Stefanie Nutzenberger, im Verdi-Bundesvorstand zuständig für den Handel.

„Erneut werden sie für die Managementfehler der letzten Jahre bestraft.“ Statt genaue Ursachenforschung zu betreiben, warum Karstadt in der Krise sei, werde überstürzt die Entscheidung gefällt, einzelne Filialen zu schließen und in weiteren Filialen noch mehr Personal abzubauen. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft wollen nun alles daran setzen, die verbleibenden Häuser zu erhalten.

In der Branche jedoch sind sich die Experten einig, dass Karstadt ohne weitere Schließungen nicht gesund werden kann. „Es ist besser, einige Filialen zu schließen und dafür Karstadt als Ganzes zu erhalten“, sagte Andreas Kaapke, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Handel an der Dualen Hochschule in Stuttgart. Seiner Meinung nach muss Fanderl nun alles tun, um Ruhe in das Unternehmen zu bringen. „Die Diskussion über Schließfilialen verunsichert nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Kunden“, sagt er. „Die Menschen scheuen sich beispielsweise davor, ein elektronisches Gerät in einem Laden zu kaufen, bei dem sie nicht wissen, ob dieser die Laufzeit des Garantiescheins überlebt.“ Den ehemaligen Aufsichtsratschef Fanderls hält Kaapke für eine gute Besetzung. „Er kennt das Geschäft und ist in der Lage, hart zu sanieren.“

Die Warenhauskette hat nach eigenen Angaben auch im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2013/14 rote Zahlen geschrieben. Gleichzeitig gingen die Umsätze zurück. Das Unternehmen habe seit der Insolvenz im Jahr 2009 fast 30 Prozent seiner Kundschaft im Alter zwischen 35 und 50 Jahren sowie bei den über 55-Jährigen verloren, klagte Fanderl. Mehr als jede vierte Filiale verdiene kein Geld. Einige seien sogar „dunkelrot“. Fanderl gibt sich drei Jahre Zeit, um wieder auf ein akzeptables Ergebnisniveau zu kommen.

In die Krise hat das Unternehmen verschiedene Entwicklungen geführt. Da ist zum einen die Warenhauskrise, die seit dem Aufkommen der Discounter in den 1990er Jahre alle Warenhäuser in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht haben.

Von den einstmals fünf großen deutschen Häusern Karstadt (Gründung: 1881), Kaufhof (1879), Hertie (1882), Horten (1936) und Quelle (1927) sind nur noch Karstadt und Galeria Kaufhof übrig geblieben. Der Wettbewerber betreibt deutschlandweit 105Waren und 17 Sporthäuser sowie 15 Warenhäuser in Belgien. Zwar hat auch das Unternehmen des Metro Konzerns seit 2000 beim Umsatz Federn lassen müssen, liefert unterm Strich aber immerhin seit Jahren schwarze Zahlen. Ein Unterschied zu Karstadt ist, dass Kaufhof konstant in das Filialnetz investiert hat. Bei Karstadt dagegen rechnen Experten mit einem Investitionsstau in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Dazu kommt, dass der Internethandel, den Einzelhändlern zunehmend die Kunden abspenstig machen. Für diese Probleme muss Stefan Fanderl nun Lösungen finden. Viel Zeit bleibt ihm dabei nicht.