Drei Butzen stehen während des Narrengerichtes in Grosselfingen (Zollernalbkreis) zusammen (Archivfoto). Foto: dpa

Im Süden Baden-Württembergs regiert die schwäbisch-alemannische Fastnacht, im Norden der rheinische Karneval. Aber an manchen Orten durchmischen sich beide Traditionen. Woher kommen die aber eigentlich?

Freiburg/Mannheim - Die einen schunkeln zur Musik der Mottowagen, die anderen springen mit Häs und Maske in den Gassen: Durch Baden-Württemberg verläuft während der Fünften Jahreszeit eine unsichtbare Grenze. In Konstanz ruft man „Ho-Narro“, in Mannheim „Ahoi“ - an der schwäbisch-alemannischen Fastnacht im Süden und dem Karneval im Norden scheiden sich die Geister. Dabei ist das gar kein Widerspruch, sagt der Volkskundler Werner Mezger. „Das sind zwei verschiedene Erscheinungsformen ein und desselben Phänomens.“

Die Traditionen verstehen

Um zu verstehen, warum sich die beiden Traditionen so unterschiedlich entwickelt haben, muss man einige Jahre zurückgehen: Ende des 18. Jahrhunderts steckte das Brauchtum der Fastnacht nämlich in einer Krise - es galt aufgrund der Aufklärung als nicht mehr zeitgemäß. Eine Gruppe Kölner wollte sich mit dem endgültigen Aus des Fastnachtstreibens aber nicht abfinden: Sie taten sich zusammen, um die Bräuche des „Fastelovend“ zu erhalten und zu erneuern.

Die neu entwickelte Art des Fastnachtstreibens nannten sie Karneval. „Das war die Geburtsstunde der bis heute üblichen rheinischen Ausprägung der närrischen Tage“, sagt Mezger. 1823 zog das erste Mal der „Held Karneval“ in die Domstadt ein. Und das Kölner Beispiel machte Schule - auch im deutschen Südwesten habe es eine unglaubliche Strahlkraft entwickelt, sagt Mezger. Im 19. Jahrhundert sei dort Karneval gefeiert worden, etwa in Konstanz und Rottweil.

Aber es gab einen Haken: Der Karneval mit seinen großen Themenumzügen sei meist von bildungsbürgerlichen Schichten konzipiert worden, sagt Mezger. Oft machten akademisch gebildete Maler die Entwürfe. Die kleinen Leute, die zuvor die Fastnacht getragen hatten, waren dagegen auf einmal nur noch Statisten. So kam es im schwäbisch-alemannischen Raum zu einer Rückbesinnung: „Die einfachen Leute haben gesagt: Wir holen die alten Narrenkleider wieder hervor und feiern die Fastnacht alten Stils, wie sie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts üblich gewesen war“, sagt Mezger.

Und heute? Gibt es noch immer Einflüsse zwischen den beiden Formen. Zwar findet man in der Fastnacht kaum Mottowägen und auch das Kostüm - „Häs“, „Hemdle“ oder „Kleidle“ - wechselt in der Regel nicht jedes Jahr. Stattdessen tragen die Narren „Larven“ oder „Schemen“ (Masken) aus Holz, die kunstvoll geschnitzt sind und meist Figuren aus der Dorf- und Stadtgeschichte sowie Fabelwesen und Tiere verkörpert.

Kurpfalz als deutscher „Narrenäquator“

Aber bei manchen Zünften finden sich karnevaleske „Reste“, wie Mezger sagt; etwa Gardemädchen und Prinzenpaare. Auch bei den Immenstaader „Hennenschlittern“ am Bodensee steht jedes Jahr am „Schmotzigen Dunschtig“ - einem Höhepunkte der Fastnacht - die Prinzenhochzeit an. „Das hat eine lange Tradition bei uns“, sagt der Narrenvater Wolfgang Haas. „Wir hatten schon 1904 das erste Mal einen Prinz Karneval.“

Die badisch-pfälzische Region wird in der fünften Jahreszeit sogar zum regelrechten Schmelztiegel: Hier mischen sich alemannische und rheinische Fasnachttraditionen. Die Kurpfalz sei quasi der deutsche „Narrenäquator“, sagt der Sprecher der Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalsvereine, Rainer Holzhauser, in Mannheim. Hier gebe es einen „herrlichen Narrenmischmasch“: rheinische Fanfarenzüge und alemannische Guggenmusik, Saalfastnacht und Straßenkarneval, Narrenkappenträger und Fastnachtshexen.

Das Gemisch aus verschiedenen Karnevalstraditionen sei für die Region ganz typisch, sagt Holzhauser. Da könne es durchaus passieren, dass ein Fanfarenzug den Auftakt und Guggenmusik den Abschluss einer Prunksitzung bilde - was anderswo völlig undenkbar wäre.

Karnevalistisches Niemandsland

Karnevalistisch gesehen sei die Region zwischen Südhessen, Nordbaden und der Westpfalz Niemandsland. „Jeder, der etwas ausprobieren will, bekommt hier seine Chance“, sagt Holzhauser. Die ursprünglich aus dem Schwarzwald und dem Alemannischen stammenden Hexenzünfte etwa gebe es längst auch in der Pfalz und Nordbaden. Mittlerweile habe der Verband sogar einen Zunftmeister, der über das Treiben der Fastnachtshexen wache.

Typisch für den rheinischen Karneval seien Saalfastnachten, etwa in Mannheim, Hockenheim und Heidelberg. Hochburgen der Weiberfastnacht seien Ketsch und Oberhausen-Rheinhausen. „Da brennt der Asphalt“, sagt Holzhauser. Schlipse abschneiden habe aber auch anderswo in Nordbaden und der Pfalz Tradition. „Es hat auch schon teure Seidenkrawatten getroffen“, warnt der Vereinssprecher schmunzelnd.