Die Karnevalisten vom Verein „Zigeunerinsel“ begründen ihre Namenswahl mit ihrer Gründung auf dem Spitalacker. Dorthin wurden früher Roma und Sinti verbannt. Foto: Julia Schramm

Die Stadt will keine Werbefiguren auf dem Cannstatter Wasen, die als diskriminierend empfunden werden könnten. Die Karnevalsgesellschaft „Zigeunerinsel“ sieht keinen Grund, über ihren Namen nachzudenken.

S-Mitte - Der schwarze Mann mit der Banane in der Hand hat als Werbefigur auf dem Cannstatter Wasen ausgedient. Der Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats beschloss Anfang des Monats nach Forderungen der Fraktionsgemeinschaft aus Linken, SÖS, Piraten und Tierschützern und auf Vorschlag des Finanz- und Wirtschaftsbürgermeisters Thomas Fuhrmann (CDU), dass diskriminierende Werbung oder Gestaltungsmerkmale von Fahrgeschäften bei künftigen Verträgen zwischen der Stadt und Schaustellern ausgeschlossen werden.

Der Linkspolitiker Luigi Pantisano merkt an, dass er den Namen der Karnevalsgesellschaft „Zigeunerinsel“ schon lange kritisch sieht. Der Begriff „Zigeuner“ sei eine diskriminierende Fremdzuschreibung. Das Linksbündnis plane aber derzeit nicht – wie im Fall der rassistischen Darstellung auf dem Cannstatter Wasen –, auf eine Änderung des Vereinsnamens zu drängen. Er habe auch bisher nicht das Gespräch mit dem Verein gesucht, sagt Pantisano. „Wir gehen da Schritt für Schritt vor.“

Gemeinderat kann keine Vorgaben machen

Anders als im Fall des Cannstatter Wasens kann der Gemeinderat dem Verein keine Vorgaben diktieren. Chana Dischereit, die Sprecherin des Landesverbands der Sinti und Roma, spricht sich für eine Sensibilisierung der Vereinsmitglieder aus. „Der Begriff ,Zigeuner‘ wurde von anderen verwendet, um Sinti und Roma zu beschreiben. Er ist mit ihrer Stigmatisierung und Verfolgung während der NS-Zeit verbunden.“ Nicht zuletzt habe auch das NS-Regime die Bezeichnung benutzt.

Während des Dritten Reiches wurden in dem auf Romanes als Porajmos bezeichneten Genozid nach Schätzungen von Historikern zwischen 200 000 und 500 000 europäische Sinti und Roma ermordet.

Der gesamtdeutsche Zentralrat der Roma und Sinti wendet sich gegen den Gebrauch des Begriffs „Zigeuner“ im heutigen Wortschatz, erläutert Dischereit. Der Erfolg sei gemischt, fügt sie hinzu. Das „Zigeunerschnitzel“ werde zwar nun „Räuberschnitzel“ genannt, was der Zentralrat gleichfalls als diffamierend kritisiert. Die „Zigeunersoße“ steht aber nach wie vor in den Supermarktregalen. Soßenhersteller argumentieren, dass die Soße schon lange so heiße und die Bezeichnung ein etablierter Eigenbegriff sei.

Verein beruft sich auf die Geschichte

Die Karnevalsgesellschaft beruft sich bei der Begründung ihrer Namenswahl ebenfalls auf die historische Entwicklung. Auf der Internetseite der „Zigeunerinsel“ wird erläutert, dass der 1910 gegründete Bürgerverein auf dem ehemaligen Spitalacker auf der Hoppenlau ins Leben gerufen wurde. Dort siedelten – wie es auf der Homepage heißt – „Zigeuner“, weil sie innerhalb der Stadtmauer nicht geduldet waren. Heike Schiele, die Vizepräsidentin der Karnevalsgesellschaft, verweist auf ihre eigene Familiengeschichte.

Ihre ungarische Mutter habe Roma-Vorfahren, erzählt sie. „Als ich ein Kind war, hieß es in der Familie meiner Mutter, da dürfe ich nicht drüber reden. Ich bin aber stolz darauf“, sagt sie.

Schiele zeigt Verständnis dafür, dass Betroffene sich an dem Namen stören. Sie betont aber, dass der Verein sich keine Späße mit den Sinti und Roma erlaube. „Wir rennen nicht mit braun angemalten Gesichtern herum, wie andere Vereine mit ihren ,Zigeunergruppen‘“, sagt sie. Dem Verein sei Inklusion von Menschen mit Behinderung und die Integration verschiedener Nationalitäten ein Herzensanliegen, betont die Vizepräsidentin des Vereins. Die Haltung des Vereins und seine positive Identifikation mit den Sinti und Roma sei eindeutig, sagt sie. „Wir sind stolze ,Zigeuner‘“, sagt Schiele.

Betroffene äußern Kritik

Ein Stuttgarter Ehepaar mit Roma-Wurzeln findet den Vereinsnamen dennoch unglücklich. Der Kontakt zu ihm ist über den Landesverband der Sinti und Roma zustande gekommen. Das Ehepaar möchte allerdings anonym bleiben. „Das Wort ,Zigeuner‘ klingt schmutzig. Für uns hört sich das an wie für Dunkelhäutige das N-Wort“, sagt die Frau.

Im Alltag begegneten ihr selten Feindseligkeit, oft aber Unwissen, sagt sie. Viele wüssten nicht genau, was der Begriff „Roma“ bedeutet, geläufig sei dagegen die für sie diskriminierende Bezeichnung „Zigeuner“, berichtet sie. Ihr Mann wünscht sich, dass die Allgemeinheit die Zusammenhänge versteht, die den Begriff zu einer Belastung machen. „Ein Wort an sich ist weder positiv noch negativ. Es ist der Kontext, der über die Wirkung entscheidet.“