Geteiltes Leid ist halbes Leid: Daniel Gordon und Maskottchen „Willi Wildpark“ Foto: dpa

Trauer, Tränen, Trotz: Nach der bitteren Niederlage im Spiel der Emotionen muss sich der Karlsruher SC schnell berappeln. Die nächste Zweitliga-Saison wird alles andere als ein Selbstläufer.

Karlsruhe - Es ist 90 Minuten nach dem Abpfiff, doch vorbei ist es noch lange nicht. Das Spiel wirkt nach. Auch im ersten Stock des Wildparkstadions. Hier ist die Geschäftsstelle des Karlsruher SC untergebracht, die meisten Mitarbeiter sitzen in ihren Büros. Die Blicke aus den müden Gesichtern gehen ins Leere. Viel Arbeit wäre auf die KSC-Angestellten zugekommen, hätte die Mannschaft den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Sie haben sich trotzdem danach gesehnt. Erstklassig sein, endlich wieder oben mitmischen. Jetzt hat keiner Lust auf das gemeinsame Essen mit den Spielern, das Jens Todt allen verordnet hat mit den Worten: „Wir werden die Nacht zusammen verbringen.“ Der Sportchef weiß, dass in dieser bitteren Situation nur eines noch schlimmer wäre – allein zu sein.

Es wird dauern, bis der Karlsruher SC diesen Rückschlag verdaut hat. Zeugwart Hüseyin Cayoglu hatte den Karton mit den Aufstiegs-T-Shirts längst an der Bank platziert, die Polizei den Block der frustrierten HSV-Fans abgeriegelt, der Stadionsprecher die KSC-Fans aufgefordert, während der Siegesfeier auf ihren Plätzen zu bleiben – da gab Schiedsrichter Manuel Gräfe einen Freistoß für den Bundesligisten. Der Rest ist bekannt: Rafael van der Vaart zeigte den besten Trick seiner Zeit beim Hamburger SV, als er erst den Ball küsste, dann aber Marcelo Díaz ran ließ. Der Chilene erzielte in der ersten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich, Nicolai Müller (115.) machte den Klassenverbleib perfekt – und ganz Karlsruhe schoss sich auf den Schiedsrichter ein.

Manuel Gräfe hatte ein Handspiel geahndet, das er ganz sicher nicht hätte pfeifen müssen. „Das war niemals ein Freistoß“, sagte KSC-Profi Jonas Meffert, der beim Schussversuch von Slobodan Rajkovic im Weg gestanden hatte. „Diese Aktion des Schiedsrichters kann ich nicht verstehen“, meinte der Karlsruher Trainer Markus Kauczinski, „uns haben drei Minuten zur Erfüllung unseres Traums gefehlt. Ohne diesen Pfiff wären wir jetzt Bundesligist.“ Und Jens Todt spottete in Richtung von Manuel Gräfe: „Augen auf bei der Berufswahl.“

Dass der KSC-Manager einen guten Job macht, hat die abgelaufene Saison gezeigt. Mit einem nur durchschnittlichen Zweitliga-Etat (7,5 Millionen Euro) hätte es der Verein fast in die Bundesliga geschafft, am Dienstag gab er die Verpflichtung von Innenverteidiger Bjarne Thoelke (23) vom VfL Wolfsburg bekannt. Und trotzdem gilt: Leichter ist die Aufgabe von Todt durch den verpassten Aufstieg nicht geworden. Das zeigt das Beispiel Reinhold Yabo.

Der Mann, der durch sein Führungstor (78.) eine Explosion der Glücksgefühle ausgelöst hatte, ist in der Stadt tief verwurzelt. Yabo, Sohn kongolesischer Einwanderer und bekennender Christ, sitzt für die Gruppierung „Gemeinsam für Karlsruhe“ im Gemeinderat. Doch dieses Mandat wird er womöglich bald aufgeben. Als einziger Spieler aus dem aktuellen Kader hat Yabo (23) keinen Vertrag für die nächste Saison unterschrieben. „Es fühlt sich an, als ob uns jemand das Herz herausgerissen hätte“, sagte er nach dem Drama gegen den HSV. Die Frage, ob es sein letztes Spiel für den KSC war, wollte er nicht beantworten. Die Tendenz aber ist klar: Yabo träumt davon, einen ähnlichen Weg zu gehen wie sein Kumpel Mario Götze, mit dem er gemeinsam im U-17-Nationalteam spielte. Der nächste Schritt wäre ein Wechsel in die Bundesliga.

Interessant für Erstligisten dürfte auch Rouwen Hennings (27) sein. Der Schützenkönig der zweiten Liga (17 Tore) zeigte nicht nur in den beiden Spielen gegen den HSV sein Potenzial. Er ist torgefährlich, zweikampfstark, technisch versiert. Hennings hat zwar einen gültigen Kontrakt, doch für Todt ist klar: Geht ein Angebot ein, muss der finanziell klamme KSC es zumindest eingehend prüfen. Auch wenn er sich mit einem Verkauf sportlich enorm schwächen würde.

Sprechen wollte darüber am Abend der tiefen Enttäuschung niemand – zumindest nicht, ohne einen positiven Ansatz zu suchen. „Wir hätten den Aufstieg verdient gehabt“, sagte Präsident Ingo Wellenreuther, „deshalb können wir aus dieser Relegation Kraft ziehen.“ Und Jens Todt versprach: „Der KSC ist ein Verein auf dem Weg nach oben. Wir werden alles tun, um ein Team auf die Beine zu stellen, das kommende Saison den nächsten Schritt machen kann.“

Die KSC-Mitarbeiter werden solche Sätze gerne hören. Gearbeitet haben sie übrigens schon ein paar Stunden nach dem Abpfiff wieder. Die Pressestelle verschickte am Dienstag den „Sommerfahrplan 2015“. Trainingsauftakt ist am 25. Juni. Dann startet der nächste Anlauf Richtung Bundesliga.