Zwölf Etagen soll der Dommermuth-Bau in Karlsruhe haben, fünf sind fertig. Foto: Jehle

Das Bevölkerungswachstum und der Mangel an Bauflächen sorgen für „kompakteres Bauen“. Wie stark wird das Stadtbild verändert?

Karlsruhe - In Karlsruhe wird derzeit an vielen Ecken und Ende gebaut – und das nicht nur im Untergrund, wo ein Stadtbahn-Tunnel die Innenstadt entlasten soll. Gebaut wird vor allem in die Höhe, denn Bevölkerungswachstum und Mangel an Bauflächen sorgen dafür, dass „kompakter“ gebaut wird. Die nordbadische Stadt gab im Frühjahr darüber hinaus eine „Hochhaus-Konzeption“ in Auftrag, die künftig Kriterien für Standorte vorgeben soll.

Zurzeit entsteht bereits südlich des Bahnhofs ein zwölfgeschossiger Bau, dessen Bauherr der Inhaber des Internetunternehmens 1&1 ist. Bei der Grundsteinlegung für den sogenannten Dommermuth-Bürobau am Bahnhof wählte der Rathauschef große Worte: die beiden Bürokomplexe, mit einem Zwillings-Hochhaus, die bis 2020 fertig sein sollen, würden „Bewegung an der Südseite des Bahnhofs auslösen“, sagte Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD).

Ab 22 Meter spricht man von einem Hochhaus

Der Karlsruher Architekt Jon Steinfeld hält es für städtebaulich gerechtfertigt, in die Höhe zu gehen. Seit „gefühlt Ende der 1970er Jahre“ habe man in Karlsruhe kein richtiges Hochhaus mehr gebaut. „Die Stadt verträgt ein paar Hochpunkte“, sagt der Vorsitzende des Kammerbezirks Karlsruhe der Architektenkammer. Nach der Landesbauordnung gelten Gebäude bereits ab einer Höhe von mehr als 22 Metern als Hochhäuser. Als solche wahrgenommen werden diese, sagen Fachleute, freilich erst ab etwa 50 Meter. Zuletzt wurde im Jahr 2014 in Karlsruhe ein zehnstöckiges Hochhaus fertiggestellt.

Bereits 2015 unternahm die CDU im Gemeinderat erstmals den Vorstoß, mehr in die Höhe zu bauen, bat um „Prüfung und Ausweisung von Perspektivflächen“. Doch erst jetzt gab die Stadt eine Konzeption in Auftrag, die Kriterien für Standorte vorgeben soll. Markant verändert hat sich die nordbadische Stadt mittlerweile vor allem im Bereich der östlichen Innenstadt: Gebaut wird und wurde seit etwa 2008 an der Ludwig-Erhard-Allee. Das frühere Ausbesserungswerk der Bahn in Karlsruhes Südoststadt wurde zu einem neuen Stadtteil mit dem Namen „City-Park“. Entlang der Erhard-Allee entstanden einige imposante Hoch-Punkte. Nach der Initialzündung durch zwei Bankgebäude ging es dann mit einem „Park-Office“ genannten zwölf-geschossigen Bürokomplex richtig in die Höhe. Im Jahr 2014 wurden die Bauten „Park-Plaza“ und „Park-Arkaden“ eröffnet. Im Oktober ging dort zudem ein Neubau des Kommunalen Versorgungsverbands in Betrieb. Anwohner vergleichen die Stadtzufahrt zuweilen lakonisch mit der Karl-Marx-Allee in Ostberlin, einem Prestigebau der frühen DDR-Führung.

Wie machen es Mannheim und Freiburg?

Nicht in jeder anderen Großstadt im Südwesten hält man ein eigens erarbeitetes Hochhaus-Konzept für zwingend notwendig, um höher zu bauen. Zwar führe auch in Mannheim die Prämisse eines sparsamen Umgangs mit Flächen und des bestehenden Entwicklungsdrucks „grundsätzlich zur Diskussion um die Fragestellung des in die Höhe Wachsens“, sagt der Sprecher des Baudezernats, Jan Krasko. Ein allgemeines Höhenentwicklungskonzept sei dafür nicht notwendig.

Auch in Freiburg sei „das Thema Gebäudehöhe aktuell“, sagt die Rathaussprecherin Edith Lamersdorf. Grundsätzlich würde bei allen Planungen auch „die durch Höhenentwicklung gegebenen Verdichtungspotenziale geprüft“. So seien für die Vorbereitung aktueller Hochhausprojekte an der Bahnhofsachse nach 2012 die für den Innenstadtrand bestehenden Potenziale untersucht und Anforderungen „für eine mit Freiburgs Stadtsilhouette verträgliche Einbindung“ von höheren Bauten erarbeitet worden. Zudem habe die Verwaltung für die gesamte Stadt einen „Perspektivplan“ (Projektabschluss 2017) erarbeitet. Lamersdorf gibt aber zu bedenken, dass bei der Schaffung von Wohnraum auch höhere Gebäude eine „natürliche“ Grenze hätten: wegen notwendiger Gebäudeabstände und „qualitativ hochwertiger Freiräume“. Oft bleibe es „bei einer Dichte wie bei fünf bis sechs-geschossiger Wohnbebauung“.

Was passiert in Ulm?

Derartige Grenzen sieht man auch in Ulm. Die Stadt an der Donau hat seit 2009 ein Hochhaus-Konzept. „Bestimmender Faktor beim Thema hohe Häuser sind in Ulm weniger Verdichtungsmöglichkeiten und Flächengewinne, sondern Sichtachsen zum Münster, die nicht verstellt werden sollen“, sagt Helmut Kalupa, der Bereichsleiter Städtebau. Entsprechend sparsam und behutsam seien in der Studie Standorte für Hochhäuser vorgeschlagen worden. Beim Wohnungsbau seien fünf Geschosse die Regel, realisiert würden bis zu sieben.

Eine besondere Herausforderung hat man in absehbarer Zeit in Karlsruhe: Gebaut werden soll ein neues Landratsamt – mit 19 Stockwerken als Ersatzbau mit 34 Meter Abstand zum vorhandenen Bau. Das hat der Kreistag jüngst beschlossen. Das 70 Meter  hohe Gebäude steht 300 Meter südlich des Marktplatzes, gilt als städtebaulich markanter Punkt, und soll erhalten bleiben – in Betrieb ging das einstige „Badenwerk-Hochhaus“ im Jahr 1965. Nach einer 53 Jahre währenden Nutzung entspricht es längst nicht mehr heutigen Anforderungen. Der Landrat favorisierte einen Neubau.

Türme und andere Hochhäuser

Hoch-Punkte

Die aktuell wohl markantesten Büro- und Wohnhochhäuser stehen in Mannheim und in Stuttgart. In Mannheim zählen zu den besonderen Hochpunkten das Collini-Center (in Klammer jeweils Fertigstellungsjahr: 1975 / 95 Meter hoch), die Wohntürme der Neckaruferbebauung Nord (1975-1982 / 100 Meter) und der Victoria-Turm (2001 / 97,5 Meter). In der Landeshauptstadt Stuttgart ragen die höchsten Türme bis knapp an die 80 Meter: das LBBW-Hochhaus am Hauptbahnhof (2005 / 79 Meter), der Colorado-Turm im Stadtteil Vaihingen (2007 / 73 Meter) und das Dormero-Hotel in Möhringen (1991 / 72 Meter). Weithin sichtbar an der Autobahn A 8 sind die drei Türme der „Wohnstadt Asemwald“ mit 23 Etagen (1972 und 1973 / jeweils cirka 67 Meter), im Stadtteil Plieningen/Fildern. In 1137 Eigentumswohnungen leben dort rund 1800 Menschen – beim Start 1972 waren es noch zirka 2400 Menschen.

Trump-Träume

Nicht realisiert wurde in Stuttgart der sogenannte „Trump-Tower“ – einst geplant vom Firmenimperium des heutigen US-Präsidenten Donald Trump. Das Projekt war vom Jahr 2001 an ein Thema in der Landeshauptstadt, und mit dem liebäugelte besonders der frühere Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU). Das 180 Meter hohe Büro-, Hotel- und Wohnhochhaus, mit geschätzten Kosten von rund 230 Millionen Euro sollte am Pragsattel entstehen.

Wegmarken

Im nordbadischen Karlsruhe entstanden in den 1960er Jahren zwei markanteHoch-Punkte, die bis heute als „Weg-Marken“ in der städtebauliche Moderne gelten. Das ehemalige Badenwerk-Hochhaus, seit dem Jahr 1997 Sitz des Landratsamts Karlsruhe, wurde in der Zeit von 1961 bis 1965 erbaut. Es besteht aus dem 70 Meter hohen Hauptgebäude mit 19 Geschossen, und einem rechtwinklig dazu angeordneten, viergeschossigen Langbau. Der höchste Bürobau in der nordbadischen Stadt ist der fast gleichzeitig entstandene Sitz der Rentenversicherung, wenige hundert Meter weiter westlich gelegen vom Badenwerk-Hochhaus: das zirka 80 Meter hohe LVA-Gebäude wurde in der Zeit von 1960 bis 1964 errichtet, und von 2005 bis 2007 umfassend saniert. Mit 21 Stockwerken ist es das derzeit höchste Bauwerk überhaupt in Karlsruhe.