Theatermachen gehört einfach dazu: Schüler des Karls-Gymnasiums bei der Feier zum 200. Geburtstags des Namensgebers König Karl von Württemberg Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Stuttgarter Karlsgymnasium zeigt, wie man Geschichte lebendig macht – und was man daraus lernen kann. Anlässlich der Jubiläumsfeier zum 200. Geburtstags des Namensgebers König Karl präsentiert sich die Schule auf der Höhe der Zeit.

Es trägt nicht nur einen großen Namen, es setzt sich auch intensiv mit seinem Namensgeber auseinander: das KarlsGymnasium in Stuttgart. Anlässlich des 200. Geburtstags des württembergischen Königs Karl Friedrich Alexander (1823-1891) am 6. März hat die traditionsreiche Schule am Freitag eine Jubiläumsfeier veranstaltet, die weit über den Rahmen eines Schulfestes hinausging. Ein halbes Jahr lang haben die rund 570 Schülerinnen und Schüler und 70 Lehrer um Schulleiter Dieter Elsässer auf diesen Tag hingearbeitet und dazu im Februar und März Projekttage veranstaltet. Ihr Ziel: in die Geschichte eintauchen, das Profil des Namensgebers der Schule schärfen und ihre Entwicklung bis zum Zweiten Weltkrieg möglichst anschaulich nachzuzeichnen.

Seife wie zu Zeiten von Königin Olga

Das Ergebnis fällt beeindruckend aus. Auf zwei Stockwerken des 1881 gegründeten und 1885 eingeweihten Gymnasiums geht es um Karls Leben und das Schulleben zur Zeit Karls. „Wem gehört Karls Herz?“, fragt ein von Schülern gedrehter Film, der sich dem Privatleben des mit Königin Olga verheirateten queren Königs nähert. Jeder Klassenraum ist einem anderen Thema gewidmet. Die Besucher bekommen Einsichten in Karls Jugend, in sein soziales Engagement, sie werden mit Karls Küche vertraut gemacht und mit der damaligen Körperpflege. Passend dazu wird Seife aus der Feuerbacher Manufaktur Seifen Haag verkauft, die auch schon Königin Olga belieferte. Kunstprojekte und ein Theaterstück liefern zusätzliche Impulse. Schulleiter Dieter Elsässer ist begeistert von der „großen Bandbreite“ an Themen und ihrer Umsetzung – auch mit Beteiligung der Eltern. Gemeinsam habe man eine große Zeitreise unternommen.

Geschichtsfans: Leander, Bastian und Tamina (von links) mit den Geschichtslehrerinnen Eva Borchert, Claudia Lübeck und Andrea Birkenmaier (ebenfalls von links). Foto: jse

Dem Thema „Das Karls-Gymnasium während der beiden Weltkriege“ sind die Räume im Erdgeschoss gewidmet. Dort begegnet man unter anderem der Geschichte des jüdischen Schülers Ernst Nussbau, der nach der Reichspogromnacht 1938 die Schule verlassen musste und mit seinen Eltern nach Amerika flüchtete. Detailliert und engagiert haben sich die Schüler mit jüdischen Schicksalen beschäftigt, im Schularchiv gegraben, Stolpersteine geputzt, das Staatsarchiv, das Haus der Geschichte besucht – und für sich Schlussfolgerungen gezogen, etwa: Menschen dazu ermutigen, aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus vorzugehen. So steht es auf einem der Plakate. Und so präsentieren sich die Schülerinnen und Schüler auch – mit humanistischer Haltung.

Freda (6. Klasse), die einen Zeitstrahl zum Zweiten Weltkrieg erarbeitet hat, berichtet welchen Eindruck das Geschichtsprojekt bei ihr hinterlässt. Sie blicke jetzt zum Beispiel „ganz anders“ auf die Gedenktafel, mit der die Schule an Kriegsopfer. So geht es auch dem gleichaltrigen Bastian, der zusammen alte Feldpostbriefe entziffert hat. Tamina aus der 7. Klasse ist als Schulreporterin unterwegs. Im „Karlsblättle“ berichten sie und ihr Reporterteam über die Geschichtsprojekte ihrer Mitschüler. Das Thema Erinnerungskultur nimmt darin einen großen Raum ein. Für den 16-jährigen Leander, der sich zum Geschichtsmentor hat schulen lassen, reicht es weit über die Jubiläumsfeier hinaus. Er und andere Schüler bieten von nun an Führungen zu Denkmälern in der Umgebung des Karls-Gymnasiums an. Die Geschichtslehrerinnen Claudia Lübeck, Bärbel Hafner-Wünning, Andrea Birkenmaier, Eva Borchert und ihre Kolleginnen und Kollegen blicken hocherfreut auf dieses Engagement. Vieles von dem, was die Schüler erarbeitet haben, ist in Podcasts eingeflossen, die auf der Homepage des Karls-Gymnasiums abgerufen werden können (www.karls-ygmnasium.de).

Starkes Plädoyer für die analoge Welt

Keine Feier im Karls-Gymnasium ohne Festvortrag: Die Erörterung des Arztes, Psychiaters und Buchautors Joachim Bauer über die Bedeutung des Humanismus im Zeitalter der digitalen Transformation und Künstlichen Intelligenz findet großen Applaus. Bauer, selbst ehemaliger Karls-Gymnasium-Schüler, warnt davor, angesichts der digitalen Entwicklungen und Möglichkeiten in einer Art Trance zu verfallen und den Wert des Menschen infrage zu stellen. Die modernen Computer leisteten „mehr als einem Menschen möglich ist, aber sie verstehen nicht was sie tun. Die Maschinen haben nicht einen Hauch von Bewusstsein.“ Bauer betont die Bedeutung von sozialer Interaktion und Zuwendung. Die physische Präsenz – auch von Lehrkräften – sei durch nichts ersetzen. Man müsse aufpassen, dass man das analoge Leben nicht in digitale Räume transferiert. „Lass uns im Diesseits bleiben und die analoge Welt attraktiver machen“, schließt er sein humanistisches Plädoyer.