In den Karl-Schubert-Werkstätten finden Menschen mit Behinderung eine Arbeit, wie etwa in der Papierwerkstatt. Wegen der Corona-Krise aber brachen viele Aufträge weg. Foto: Eileen Breuer

Weil an die Einrichtungen der Behindertenhilfe bisher keine Hilfsgelder flossen, bleiben die Karl-Schubert-Werkstätten in Bonlanden auf Mehrkosten von etwa 250 000 Euro sitzen. Das hat schwerwiegende Folgen.

Bonlanden - Normalerweise klappert und klimpert es an den Arbeitsplätzen in den Karl-Schubert-Werkstätten in Filderstadt-Bonlanden. Im Frühjahr aber durften die hier angestellten Menschen mit Behinderung keinen Fuß in ihre Arbeitsstätte setzen. Inzwischen sieht das zwar anders aus. Doch während anderswo Hilfen in Milliardenhöhe fließen, lässt die finanzielle Unterstützung der Behindertenhilfe hier vor Ort noch auf sich warten. „Das Problem ist, dass die Menschen mit Behinderung wieder vergessen wurden“, sagt Tobias Braun, Geschäftsführer der Karl-Schubert-Gemeinschaft.

Dabei sei man dringend auf die Hilfsgelder angewiesen. Denn die durch die Pandemie verursachten Umstände zogen erhebliche Mehrkosten nach sich. Damit in den Werkstätten die AHA-Regeln eingehalten werden, unternahmen die Zuständigen große Anstrengungen. Um die Mindestabstände einhalten zu können, richteten sie beispielsweise die Arbeitsplätze neu her und statteten diese mit Plexiglasscheiben aus. Masken müssen außerdem stets zur Verfügung stehen, denn auf den Touren und in den Werkstätten gilt die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Sogar die kostspielige Variante der FFP2-Masken stellt die Karl-Schubert-Gemeinschaft bereit, denn viele Arbeitnehmer der Werkstätten gehören einer Risikogruppe an. Und auch das Desinfektionsmittel geht ins Geld.

Mehrkosten von 250 000 Euro

Doch nicht nur die Sachkosten lasten schwer auf den Schultern. Auch gestiegene Personalkosten machen der Karl-Schubert-Gemeinschaft zu schaffen, berichtet Braun. Um Ausfälle aufgrund von Quarantäne oder Erkrankungen zu kompensieren, hatte er Ersatzpersonal einstellen müssen. Und weil die üblichen Hygienemaßnahmen hochgefahren wurden und die Dienstleister die Toiletten nun mehrmals täglich putzen, kommen auch hier höhere Kosten auf die Karl-Schubert-Gemeinschaft zu. Es gibt des Weiteren Angestellte, die nicht dazu in der Lage sind, den Arbeitsweg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Damit die Angestellten im Bus nicht dicht an dicht sitzen müssen, fährt dieser nun zwei Touren statt einer. Trägt man all diese Posten zusammen, so belaufen sich die Mehrkosten auf rund 25 000 Euro pro Monat, sagt Geschäftsführer Braun. Innerhalb von zehn Monaten kam somit ein Betrag von etwa einer Viertel Million Euro zusammen, den die Karl-Schubert-Gemeinschaft zusätzlich stemmen muss.

Und allein mit den Mehrkosten ist die Rechnung noch nicht getan. Denn die Karl-Schubert-Werkstätten verzeichneten Umsatzeinbußen von nahezu 20 Prozent. Zum Beispiel brach ein Auftrag eines Messebauers weg und auch die beiden Cafés haben geschlossen. Zudem standen in Wohngemeinschaften teils Zimmer leer und das trotz langer Wartelisten – unter anderem, weil man freigewordene Zimmer nicht neu besetzen konnte. Denn Besichtigungen waren während des Lockdowns nicht möglich. Braun rechnet pro Platz mit fehlenden Einnahmen in Höhe von circa 3000 Euro im Monat.

„Wir haben erhebliche Mehrkosten und gleichzeitig Mindereinnahmen. Das ist eine Situation, die wir dauerhaft nicht tragen können. In Bezug auf die finanzielle Unterstützung fühlen wir uns im Stich gelassen,“ sagt er. Denn noch sind außer den Mitteln zur Sicherung der Löhne der Werkstattmitarbeiter für die coronabedingten Sach- und Personalmehraufwendungen keine Hilfsgelder geflossen.

Bauprojekte mussten gestoppt werden

Bisher konnte die Karl-Schubert-Gemeinschaft die Situation dadurch kompensieren, dass sie auf Reserven zurückgriff. Doch diese sind überschaubar, denn als gemeinnütziger Träger darf sie kaum Risikorücklagen bilden. Um die Liquidität weiterhin sicherstellen zu können, musste Braun nun schon Bauprojekte stoppen, zum Beispiel den Ausbau einer Wohngemeinschaft. Und auch die Renovierung einer Spülküche liegt derzeit erst einmal auf Eis. „Das heißt konkret, dass sich die Bedingungen für die Betreuten mittel- bis langfristig verschlechtern, weil sich die Infrastruktur nicht so entwickelt, wie es notwendig wäre. Am Ende leiden die Menschen mit Assistenzbedarf, die bei uns wohnen und arbeiten“, sagt er. 2020 habe man noch überbrücken können, doch weitere zehn Monate halte man so nicht mehr durch: „Wir überlegen schon, welche Immobilie wir möglicherweise verkaufen müssten.“

Seine einzige Hoffnung ist, dass sich die Politik einigt, wer für die Hilfen aufkommt. Denn die Not werde zwar gesehen, aber es werde darüber gestritten, wer zahlen soll – Land oder Kommunen. Diese Problematik sei in anderen Bundesländern schon gelöst worden, sagt der Geschäftsführer der Karl-Schubert-Gemeinschaft: „Wir fordern von der Politik, dass sie sich an den coronabedingten Mehrkosten beteiligt – und zwar zeitnah.“