„Wenn man die Schönheit der Natur erleben kann, dann lernt man auch, mehr Achtung vor der Schöpfung zu haben“, sagt Karl Sauer. Foto: Georg Linsenmann

Karl Sauer aus Stuttgart-Rot wird für seine Verdienste um das Kleingartenwesen mit der „Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ geehrt.

Rot - Karl Sauer ist Frühaufsteher. Und zeitig ran musste er von klein auf. Im elterlichen Weinberg in Beilstein, dem „schönsten Dorf im Bottwar-Tal“, wie er meint. Aber auch auf dem Feld oder im Krautgarten, denn sein Vater war früh gestorben: „Wir Kinder mussten unserer Mutter helfen, das war ganz normal.“ Der „grüne Daumen“ war ihm also mitgegeben, und als es ihn beruflich nach Stuttgart verschlug und er in Rot heimisch wurde, hat er gleich bei der ersten Gelegenheit zugegriffen: „Eine kleine Parzelle im Grabeland. Da konnte man nur Rettiche ziehen,“ erinnert sich Sauer, der 1969 auch gleich in den Kleingartenverein Zuffenhausen am Rotweg eingetreten ist. In diesem Verein sollte er dann fast ein halbes Jahrhundert lang ein prägende Rolle spielen. Und weit darüber hinaus. Deshalb wird Karl Sauer nun vom Bundespräsidenten mit der „Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ geehrt.

Und deshalb lässt Sauer an diesem schönen Samstagmorgen zunächst mal die Hacke Hacke sein und führt fürs Gespräch in aller Seelenruhe durch das, was er als sein „Reich“ bezeichnet. Charakteristisch, dass er das nicht sagt, als es vorbeigeht an vollen Gemüsebeeten und üppiger Blumenpracht. Sauer sagt das hinterm „Häusle“, an der Laube, am säuberlich gepflegten Komposthaufen: „Ich schnipple alles klein. Der Kompost ist die Sparbüchse des Kleingärtners. Bei mir wird nur organisch gedüngt.“

Klassischer Kleingarten erfährt eine Renaissance

Er sei eben noch „einer vom alten Schlag“, sagt Sauer, ein „traditioneller Vertreter des kleingärtnerischen Gedankens“. Unbedingt dazu gehöre die heimische Artenvielfalt, bei Nutz- und bei Zierpflanzen: „Das ist ein Schatz, den wir pflegen müssen.“ So habe er auch diesen großen Eckgarten angelegt, als er vor 40 Jahren das Areal übernahm: „Ein Kleingarten ist ein Nutzgarten. Je ein Drittel Gemüse sowie Beeren und Obst, und ein Drittel Erholung.“ Er sagt das mit kritischem Beiklang: „Heute dominiert im Kleingarten der Freizeitwert. Ein Monstergrill, Rasenfläche, Liegestuhl.“ Dabei erinnert der 75-Jährige, der noch Beisitzer im Deutschen Kleingärtnermuseum in Leipzig ist, an die Historie des „Schrebergartens“, wobei er den Begriff nicht mag: „Schreber war charakterlich problematisch. Der Kleingarten war ein Armengarten, eine Gegenbewegung und ein Ausgleich in der Industrialisierung. Und bis in unsere Zeit hat er auch zur Selbstversorgung gedient.“ Schnell fügt er hinzu: „Ich glaube, dass der klassische Kleingarten eine Renaissance erfährt. Jetzt kommen wieder Familien, die auch Sachen anpflanzen. Außerdem gibt es mehr und mehr Seniorengärten, den sich mehrere Pächter teilen. Das ist ein gutes Zeichen.“

Als überzeugter Kleingärtner hat er sich nicht nur um sein Reich, sondern auch um den Verein mit den 250 Gärten in der Anlage gekümmert. Ein Engagement, das er mit Fortbildungen verband: „So bin ich immer mehr in die Fachberatung hineingeschlittert.“ Ein Weg, auf dem ihm Aufgaben im Landes- und schließlich im Bundesverband zuwuchsen: „Berlin, Dresden, Hamburg, Wien, Warschau, Brüssel. Ich war auf vielen Kongressen. Und mit Straßburg haben wir eine Partnerschaft aufgebaut, die bis heute hält.“ Sowieso lobt er die „vielen Freundschaften die entstanden sind, die Gemeinschaft und das intensive Vereinsleben hier. Wir haben uns als Verein am öffentlichen Leben beteiligt. Wir waren präsent. Das hat sich leider geändert. Ich bin gegen den Rückzug in die Idylle.“

Umweltpreis der Stadt Stuttgart erhalten

Ein Höhepunkt war, als der Verein im Jahr 2000 den Umweltpreis der Stadt Stuttgart erhielt: für biologischen Pflanzenschutz beim Kampf gegen den Apfelwickler: „Das hat die Wahrnehmung verändert. Bis dahin galten wir als Giftspritzer der Nation.“ Und jetzt betont er: „Mir kommt kein Gift in den Garten. Lieber verzichte ich auf Ernte.“ Ein bisschen stolz sei er auch, dass er an der Gründung des Schulgarten-Netzwerkes mitgewirkt habe: „Um die Jugend an den Kreislauf der Natur heranzuführen. Wenn man die Schönheit der Natur erleben kann, dann lernt man auch, mehr Achtung vor der Schöpfung zu haben,“ sagt Sauer zum Abschied und streicht über eine Gemeine Seidenpflanze. Als er sich umdreht und zügig zur Laube schreitet, kann man sicher sein, dass er jetzt gleich zur Hacke greift.