Das Karl-Olga-Krankenhaus in der Hackstraße richtet sich neu aus – unter anderem auch mit einem neuen Adipositas-Zentrum Foto: Kraufmann

Chefarzt Michael W. Müller ist mit vier Kollegen vom Klinikum Stuttgart zum Karl-Olga-Krankenhaus gewechselt und will dort auch ein Adipositas-Zentrum aufbauen – nach seinen Vorstellungen.

Stuttgart - Ein Chefarztwechsel von einem Krankenhaus ins nächste ist nicht ungewöhnlich. Dass allerdings ein Chefarzt aus dem städtischen Klinikum Stuttgart, Krankenhaus Bad Cannstatt, in das kleinere Karl-Olga-Krankenhaus wechselt und dabei vier Kollegen im Schlepptau hat, ist bemerkenswert.

Privatdozent Dr. Michael W. Müller gab zum 1. Oktober die Leitung der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie auf, um Chefarzt beim Karl-Olga-Krankenhaus zu werden, deren Träger die von privaten Krankenversicherungen finanzierten Sana Kliniken sind. Mit ihm kamen der Leitende Oberarzt Dr. Knut Ketterer, Oberarzt Dr. Karsten Wachtel, Facharzt Angelos Chotzidis und Assistenzarzt Mohammad Basendowah. „Es ist nicht selbstverständlich, dass vier Kollegen mit mir wechseln“, sagt Müller. Der Weggang von Müller und seinem Team scheint kein gutes Licht auf das Krankenhaus Bad Cannstatt zu werfen.

„Man kann es auch so sehen, dass unser Wechsel für das Karl-Olga-Krankenhaus spricht. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich dazwischen“, sagt Müller. Seinen Wechsel begründet er so: „Ich bin von Bad Cannstatt weggegangen, weil die Perspektive dort unklar war.“ Bedingt ist diese Unklarheit durch die Umstrukturierungen im Klinikum, das sich in Zukunft auf die zwei Standorte in Bad Cannstatt und in der Stadtmitte beim Katharinenhospital konzentrieren wird. Müller befürchtet, dass die zwei Abteilungen der Viszeralchirurgie – also der Bauchchirurgie – in Bad Cannstatt und dem Katharinenhospital nicht mehr auf dem gleichen Niveau arbeiten werden – zugunsten des Katharinenhospitals.

Dem widerspricht Prof. Dr. Jürgen Graf, Klinischer Direktor des Klinikums Stuttgart: „Die Chirurgie wird an beiden Standorten auf dem gleichen Niveau weitergeführt werden.“ Mit dem Umzug der Frauenklinik an den Standort Stadtmitte verändere sich zwar einiges, doch man würde nicht in aufwendige Bauarbeiten an dem Cannstatter Haus investieren, wenn man es abwickeln wolle, so Graf. Auch habe man die frei gewordenen Stellen wieder hochwertig nachbesetzt.

Dass das Klinikum dabei die Nachfolge von Michael W. Müller nicht mit einem neuen Chefarzt besetzt hat, sei keine Sparmaßnahme. Der Ärztliche Direktor der Chirurgieklinik im Katharinenhospital, Prof. Dr. Jörg Köninger, hat die Leitung der Chirurgie in Bad Cannstatt zusätzlich übernommen. „Die Absprache zwischen den beiden Abteilungen war vorher schwieriger. Mit der Leitung aus einer Hand lässt sich das besser steuern“, erklärt Graf. Diese Aussage lässt vermuten, dass zwischen den beiden Chirurgie-Chefs in der Vergangenheit ein Konkurrenzkampf stattgefunden hatte.

Einen Schwerpunkt hat das Klinikum in Bad Cannstatt mit der Adipositas-Chirurgie gesetzt. Müller will nun im Karl-Olga-Hospital ebenfalls ein neues Adipositas-Zentrum aufbauen. Auch sein ehemaliger Kollege Dr. Matthias C. Raggi, der von 2009 an Leitender Oberarzt im Krankenhaus Bad Cannstatt gewesen war, hatte im Juli das Klinikum verlassen, um im Agaplesion-Bethesda-Krankenhaus als Chefarzt ein Adipositas-Zentrum aufzubauen.

In der Adipositas-Chirurgie, also der Bekämpfung der krankhaften Fettleibigkeit durch chirurgische Eingriffe, kennt sich Müller aus. Schließlich wurde das Adipositas-Zentrum in Bad Cannstatt unter seiner Leitung zu einem der wenigen zertifizierten Referenzzentren für Adipositas-Chirurgie. „Wir fangen im Karl-Olga-Krankenhaus bei dem Thema zwar bei null an, bringen aber unsere Erfahrung mit“, sagt Müller. Außerdem sei es in einem kleineren Krankenhaus mit familiärer Atmosphäre einfacher, das Zentrum nach seinen Vorstellungen zu entwickeln.

„Die Wege innerhalb des Krankenhauses sind kürzer, und wir sind in der Stadt optimal vernetzt“, sagt er. Denn für ein Adipositas-Zentrum reiche es nicht, nur die chirurgischen Eingriffe anzubieten: „Wir wollen die Nachsorge optimal für den Patient planen.“ Dafür brauche die Klinik Kooperationspartner, wie zum Beispiel Krankenkassen, niedergelassene Ärzte, Psychosomatiker, Ernährungsberater und Physiotherapeuten. Auch innerhalb des Krankenhauses müssen verschiedene Abteilungen kooperieren. Nach Müllers Einschätzung gibt es deutschlandweit nur wenige Zentren, die diese Bedingungen erfüllen, das Zentrum in Bad Cannstatt zählt er nicht dazu.

Unterstützung für seine Pläne bekommt Müller von der Geschäftsführung des Karl-Olga-Krankenhauses. „Seit 2013 richtet sich das Karl-Olga-Krankenhaus neu aus. Bei adipösen Patienten muss man sektorenübergreifend arbeiten, was unseren Vorstellungen eines modernen Krankenhauses entgegenkommt“, sagt Dr. Claudia Pötzsch, Leiterin der Unternehmensentwicklung und Medizinstrategie. Bis Ende 2015 wollen Müller und Pötzsch ihre Pläne umgesetzt haben. Als Konkurrenz zu Bad Cannstatt will Müller das neue Zentrum jedoch nicht sehen: „Je mehr Adipositas-Zentren es gibt, desto mehr gerät das Thema in die Öffentlichkeit und desto besser ist es für die Versorgung der Patienten.“