Die undatierte Zeichnung zeigt eine Laufmaschine aus dem Jahr Foto: dpa

Seine Idee war genial, dennoch war Karl Drais lange Zeit verkannt. Heute sind die Verdienste des Erfinders der Laufmaschine allerdings unbestritten. Das zeigt sich in der Großen Landesausstellung „2 Räder – 200 Jahre“des Technoseums in Mannheim zum Fahrradjubiläum 2017.

Mannheim - Für das Fahrrad muss man schon lange keine Lanze mehr brechen. Ob Groß oder Klein, kaum jemand will noch ohne eines auskommen. Weltweit gibt es von ihnen längst mehr als Autos. Und Thomas Kosche, der Kurator der Landesausstellung „2 Räder – 200 Jahre“, die noch bis zum 25. Juni in Mannheim gezeigt wird, ist überzeugt: „Das Fahrrad wird auch dann noch ein wichtiges Fortbewegungsmittel sein, wenn das Auto mit Verbrennungsmotor längst ausgedient hat.“

Seinem Erfinder Freiherr Karl Friedrich von Drais (1785 – 1851) allerdings, der mit seiner bis heute faszinierenden Laufmaschine anno 1817 das Urfahrrad geschaffen hat und damit nach Experteneinschätzung auch die Basis für den Bau des Automobils legte, ist der große Erfolg zu Lebzeiten versagt geblieben. Er verkaufte nur wenige seiner Fahrzeuge, führte ein unstetes Leben und musste als Sohn eines bekannten Vaters aus dem badischen Beamtenadel zeitlebens um seinen Ruf kämpfen.

Der Beruf des Forstinspektors hat ihm nie behagt

Dabei hatte alles sehr vielversprechend angefangen. Der ganze badische Hof – Markgraf samt Erbprinz, Prinzen und Minister – war versammelt, als der kleine Karl Friedrich am 29. April 1785 in Karlsruhe das Licht der Welt erblickte. Carl Friedrich, der spätere Großherzog, war sein Pate. Schon fünf Jahre später allerdings erkrankte der Vater an Epilepsie und wurde vorübergehend auf einen ruhigeren Posten im Hunsrück versetzt. 1794 ging die Familie zurück nach Durlach. Drais Junior besuchte das Gymnasium und schlug entsprechend den Bestimmungen des Markgrafen die Forstlaufbahn ein.

Er besuchte das Forstlehrinstitut in Pforzheim, wurde für kurze Zeit Forstjunker in Schwetzingen, später immatrikulierte er sich für einige Semester an der Universität Heidelberg und belegte verschiedene technische Fächer, ehe er 1807 seine Abschlussprüfung als Förster bestand. Danach kam er als Forstinspektor in den heutigen Ortenaukreis, absolvierte einen Bildungsurlaub in der Schweiz, doch wirklich Fuß gefasst hat er nie in dem Beruf. Stattdessen wurde er 1811 bei vollen Bezügen als Forstmeister beurlaubt. Mit nur 26 Jahren zog er ins Haus des Vaters.

Eine kreativer Kopf ohne Frau und Kinder

Der Anlass für die Beurlaubung von Karl Drais ist unbekannt. „Sie wurde nicht begründet, man kann nur vermuten: Er eckte viel an“, erklärt Thomas Kosche. Auch Hans-Erhard Lessing, einer seiner kundigsten Biografen, hat keine rechte Erklärung dafür, dass Drais im erlernten Beruf so gar nicht vorankam. „Er war einfach ein technikbegeisterter junger Mann und wäre wohl lieber Lehrer geworden“, vermutet er. „Er war ein kreativer Kopf, ohne Frau und Kinder – und als Privatier hatte er nach der Beurlaubung auch unglaublich viel Zeit, um seine Ideen zu entwickeln“, schildert Kosche. Er entwarf ein eigenes Rechensystem, einen Klavier-Rekorder, eine erste vierrädrige Fahrmaschine, mit der sich die Passagiere mit eigener Kraft voranbewegen können sollen. Doch nichts davon war richtig erfolgreich, einiges auch nur bruchstückhaft überliefert.

Klar ist: am 12. Juni 1817 ist Drais mit seiner zweirädrigen Laufmaschine erstmals auf der gepflasterten Prachtchaussee, die Mannheim mit Schwetzingen verband, 13 Kilometer weit nach Neckarau und zurück gefahren und hat anschließend auch kräftig für sein Projekt Reklame gemacht. „Die Idee wurde in Europa und USA begeistert aufgenommen, die Engländer stürzten sich darauf“, berichtet Kosche.

Verlässliche Zahlen, wie viele der „Hobby- und Dandy-Horses“ seinerzeit gebaut werden, gibt es nicht. Insgesamt, schätzt Lessing, dürften es wohl 5000 bis 10 000 gewesen sein. Drais selbst konnte davon allerdings nicht profitieren. Seine Versuche, Patente für seine Idee zu erlangen, scheiterten, auch Lizenzen wurde er nur wenige los. Stattdessen blühte der Nachbau. In Mannheim selbst wurde die Benutzung der Laufmaschine auf den Bürgersteigen schon ein halbes Jahr nach der Jungfernfahrt untersagt, nur im Schlossgarten durften die Besitzer ihrem neuen Hobby frönen.

Drais flüchtet nach Brasilien

In den Folgejahren erfand Drais noch viele weitere Dinge – darunter eine Kochkiste, eine Schreibmaschine, eine Schienendraisine und eine Kutsche, bei der die Pferde schoben statt zogen. „Doch nichts davon war richtig erfolgreich“, erklärt Kosche. Zusätzliche Probleme belasteten den Erfinder von 1821 an: In diesem Jahr verurteilte sein Vater als oberster Richter in Baden den Burschenschaftler und Kotzebue-Mörder Karl Ludwig Sand zum Tode. In der Folge geriet auch der Sohn in den Strudel der Kritik der Demokraten. Er wurde von den Anhängern Sands attackiert und geschmäht, seine Laufmaschine für unnütz erklärt und lächerlich gemacht.

Um all dem zu entfliehen, ging Drais für fünf Jahre als Geometer nach Brasilien, Fuß fassen konnte er auch dort nicht. Nach seiner Rückkehr unternahm er einen neuen Anlauf in England, wo er für seine Stenomaschine warb und anschließend enttäuscht feststellte, die Reise habe zwar seine „Ehre vergrößert, doch sein Vermögen noch einmal verkleinert“. Mit seiner Laufmaschine allerdings, da herrscht Einigkeit unter Historikern, war Drais seiner Zeit voraus. Erst 1893, gut 40 Jahre nach seinem Tod, wurde in seiner Geburtsstadt Karlsruhe ein Denkmal zu seinen Ehren aufgestellt, 1886 in Mannheim eine Fahrradfabrik nach ihm benannt. „Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass er als Erfinder anerkannt war“, sagt Thomas Kosche.

Termine zum Feiern rund ums Rad 2017