Im Süden hat man einen famosen Ausblick auf die beiden Pitons, die Wahrzeichen von St. Lucia. Foto: Saint Lucia Tourist Board

Der Karibikstaat St. Lucia lockt Luxustouristen, hat aber auch für Normalverdiener einiges zu bieten: betörende Natur zwischen Dschungel und Meer und dazu Menschen, die Lebenslust im XXL-Format versprühen.

Castries - Der erste europäische Siedler auf St. Lucia war ein Pirat – und man kann sagen: ein Pirat wie aus dem Bilderbuch, der sein Handwerk verstanden hat. François Le Clerc, wegen seines Holzbeins „Jambe de Bois“ gerufen, hat sich Mitte des 16. Jahrhunderts seinen Stützpunkt strategisch klug gewählt. Die spanischen Schiffe hat der französische Freibeuter von Pigeon Island aus überfallen, einer ins Meer ragenden Landzunge, deren zwei Erhebungen wie Adlerhorste in den Himmel ragen, schroff und uneinnehmbar. Wer sich auf den Weg zum Versteck von Käpt’n Holzbein macht, sollte in der Frühe aufbrechen. Der Aufstieg ist schweißtreibend, aber nicht deshalb, weil die Erhebungen – der größere Hügel misst 100 Meter – beträchtlich wären, sondern weil die Sonne sticht und sticht und sticht. Oben wird man für die Mühsal freilich üppig entschädigt: mit einer herrlichen Sicht übers weite Meer bis nach Martinique und, wendet man den Blick zurück, über die Hügel im Norden von St. Lucia.

Pigeon Island, das 200 Jahre nach den französischen Piraten von britischen Admirälen genutzt wurde, um wiederum die Franzosen aus der Karibik zu jagen, ist heute ein idyllischer Ort des Friedens. Über das satte Grün hüpfen Tauben, über die aufgeheizten Wege huschen Geckos, und über dem gelben Hibiskus schwirren schwarzgrün schimmernde Kolibris, die kaum größer als ein Schmetterling sind – ein zum Naturschutzgebiet erklärter Garten Eden zum Entspannen, abseits der Massen und auch abseits der dorfähnlichen, nur wenige Gehminuten entfernten Hotelanlage Sandals Grande St. Lucian, die man von Holzbeins Hügel gut ins Visier nehmen kann. Würde der Pirat noch leben, hätte er in der Luxusherberge unten schon längst fette Beute gemacht.

Am feinen, weißen Sandstrand wird geheiratet

Das Sandals Grande St. Lucian ist ein Hotel der Superlative. Sechs Pools, zwölf Restaurants, 302 Zimmer und ein 200 Meter langer, weißer, feiner Sandstrand, dazu unzählige Sportangebote zu Wasser und zu Land sowie ein Wellnessbereich mit Massagen, Maniküren, Pediküren – Letzteres, das Spa, kostet extra, alles andere ist im All-inclusive-Paket des Resorts inbegriffen. 18 Hotels dieser vom Jamaikaner Gordon Stewart gegründeten Kette gibt es mittlerweile in der gesamten Karibik, wobei die meisten das Couples-only-Konzept verfolgen: Willkommen sind nur Paare ab 18, keine Kinder. Das ist auch im Grande St. Lucian so, weshalb es einer gewissen Logik folgt, dass man in diesem als „Traumkulisse“ gepriesenen Ambiente auch heiraten und die Flitterwochen verbringen kann. Täglich geben sich Brautpaare am Strand das amtlich beglaubigte Jawort und posieren für Fotografen, die eigens zu diesem Zweck im Resort beschäftigt sind – und live streamen lässt sich die Hochzeitszeremonie auch, für Angehörige und Freunde zu Hause.

Das klingt nicht nur nach American Way of Life, das ist es auch. Der Tourismus auf St. Lucia zielt vor allem auf Urlauber aus den USA, die in drei bis vier Flugstunden auf der Insel sind. Die Kleinen Antillen sind für sie das, was für Mitteleuropäer die Kanarischen Inseln sind: ein schnell zu erreichendes Ziel für Stressbürger aus Chicago und New York, zumal sie dort alles wie gewohnt in XXL serviert bekommen. Das Übermaß fängt bei Flachbildschirm und Boxspringbett an und reicht bis zur Höflichkeit des Personals, das dem Gast mit einer aufgekratzten Fröhlichkeit begegnet, die man sonst nur von Animateuren am Pool kennt. „Have a great day, man!“, sagen die Angestellten im Grande St. Lucian und strecken einem die Hip-Hop-Faust entgegen, wenn man das Resort zur Erkundung der Insel verlässt. Und das sollte man schon tun. Alles andere wäre Sünde.

Wer das Hotel verlässt, findet atemberaubende Natur

Die Ausflugsboote legen in der 50 000 Einwohner zählenden Inselhauptstadt Castries ab. Nach einer Stunde erreicht man Marigot Bay, die mehr als alle Buchten zuvor mit Palmen gesäumt ist. Segeljachten vor Sandstrand, Holzvillen vor Urwaldgrün, eine kleine Fähre und eine große Entspanntheit: Dass das mehr als nur ein karibisches Klischee ist, beweist dieses atemraubend schön in die Natur gegossene Küstendorf, das auch schon Gastauftitte in Hollywoodfilmen hatte – nicht in „Fluch der Karibik“, obwohl man sich das ohne Weiteres vorstellen könnte, sondern in „Dr. Dolittle“, wo der titelgebende Arzt eine Tierklinik unter Palmen gründet. Und wenn das Boot wieder ablegt, mit dem in diesen Breiten obligatorischen Bob Marley aus dem Bordlautsprecher, rücken auch schon bald die beiden Wahrzeichen von St. Lucia in den Blick: die Pitons.

Smaragdgrün erheben sich die zwei Bergspitzen – nichts anderes heißt das französische „piton“ – majestätisch aus dem Meer. Konturiert wie Kegel, mit Regenwald überzogen, stehen sie stolz einander gegenüber, ein Bruderpaar vulkanischen Ursprungs, das in vollendeter Harmonie und Symmetrie die Zeiten überdauert hat. Der Petit Piton (736 Meter) und der Gros Pitons (798 Meter) sind annähernd gleich hoch und gleich alt und nur durch eine Bucht getrennt, die sich Sugar Bay nennt. Und zuckersüß betörend ist der Anblick dieses von der Natur geschaffenen Arrangements allemal: Die Pitons haben St. Lucia den Beinamen „Insel mit zwei Bergen“ eingebracht, was unmittelbar einleuchtet, wenn man vor den steinernen Zwillingen auf dem Meer schaukelt. Man kann ihnen aber auch auf die Pelle rücken: Ein Aufstieg ist möglich, allerdings nur mit Führer und außerhalb der Regenzeit.

Nach all der Natur sehnt man sich wieder nach Kultur. Und neben Derek Walcott, der 1992 für seine Epen aus St. Lucia den Literaturnobelpreis erhalten hat, ist das vor allem Tanz und Musik. In Reinform erlebt man das entfesselte Entertainment in Gros Islet, einem verschlafenen Dorf, das einmal in der Woche zum Leben erwacht. Jeden Freitag ist es so weit: Bei der „Jump up“ genannten Straßenparty wiegen Jung und Alt ihre Körper zu Rhythmen, die donnernd aus einem Massiv von XXL-Lautsprechern kommen. Wobei: Nicht alle Tanzpaare belassen es beim Wiegen, manche praktizieren auch das in der Karibik verbreitete sogenannte Winen und vollführen unter freiem Himmel aufreizende Koitus-Bewegungen. Kein Fall für prüde Touristen, für alle anderen aber ein vitaler Grund, ihr durchamerikanisiertes Hotel zu verlassen: St. Lucia in Bestform!

Hinkommen, Unterkommen, Rumkommen

Anreise

Von Frankfurt aus kann St. Lucia in neun Flugstunden nonstop mit Condor (www.condor.com) erreicht werden: immer dienstags, Hin- und Rückflug kosten rund 750 Euro. British Airways fliegt St. Lucia von London aus täglich an, wobei man – je nach Abflugort in Deutschland – vom Flughafen Heathrow nach Gatwick wechseln muss (www.britishairways.com).

Unterkunft

St. Lucia ist kein billiges Reiseziel. Die Preise bewegen sich auf europäischem und US-Amerikanischem Niveau. Das gilt generell auch für Unterkünfte auf der Insel. Im Sandals Grande St. Lucia beispielsweise kostet ein Caribbean Deluxe Room, buchbar unter anderem bei Dertour (www.dertour.de), pro Person und pro Nacht mit All-Inclisive-Verpflegung 271 Euro. Weitere Informationen über das Resort gibt es unter www.sandals.com. Auf St. Lucia gibt es auch Übernachtungsmöglichkeiten für Individualreisende, Doppelzimmer ab 35 Euro.

Ausflüge

Unter www.islandroutes.com/caribbean-tours/st-lucia/10/castries können Inselausflüge gebucht werden. Darunter ist auch der im Text beschriebene Bootsausflug, der Piton Sunset Cruise, der 95 US-Dollar kostet.

Allgemeine Informationen

Website: www.jetzt-saintlucia.de